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Migration ist in der EU seit Jahren ein umstrittenes Thema. Angesichts einer Reihe von Wahlerfolgen rechter Parteien in der gesamten Union und einer sich verändernden Sicherheitslage nehmen einzelne Länder zunehmend restriktive Positionen ein. Erst im Mai wurde das neue Migrations- und Asylpaket verabschiedet, das ab Sommer 2026 schärfere Regeln zur Bekämpfung der irregulären Migrationsströme vorsieht.

Die Forderungen nach einem härteren Vorgehen wurden auf dem Gipfel des Europäischen Rates am 17. Oktober bekräftigt, bei dem das Thema Migration im Mittelpunkt stand. Immer mehr Länder forderten einen stärkeren Schutz der EU-Grenzen, eine Diskussion über die Externalisierung von Asylverfahren und eine rasche Umsetzung der Regeln für die Rückführung von Migranten.

Im Vorfeld des Gipfels kündigte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, in einem Schreiben an die Staats- und Regierungschefs der EU an, dass die EU-Exekutive in ihrer neuen Amtszeit die Einrichtung von Rückführungszentren in Drittländern in Erwägung ziehen werde. Dort sollen demnach  illegale Migranten bis zu ihrer Rückkehr in ihre Herkunftsländer untergebracht werden . Die Migrationspolitik in der EU könne nur dann nachhaltig sein, wenn diejenigen, die kein Recht auf Aufenthalt in der EU hätten, effektiv zurückgeführt würden, schrieb von der Leyen.

Auf dem Gipfeltreffen am vergangenen Donnerstag verabschiedeten die EU-Staats- und Regierungschefs einen Text, in dem sie dringend neue Rechtsvorschriften zur verstärkten und schnelleren Rückführung von Migranten forderten. Außerdem forderten sie die EU auf, „neue Wege“ zur Bekämpfung der irregulären Migration zu erkunden.

Obwohl nicht ausdrücklich erwähnt, könnten solche Maßnahmen Rückführungszentren außerhalb der EU umfassen, nach dem Vorbild einer Vereinbarung zwischen Italien und Albanien. Die Idee der Externalisierung spaltet die 27 EU-Mitgliedstaaten.

Derzeit werden nach EU-Angaben weniger als 20 Prozent der zur Ausreise verpflichteten Personen in ihr Herkunftsland zurückgeschickt. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex teilte mit, dass die illegalen Einreisen in den ersten neun Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr um 42 Prozent zurückgegangen sind.166.000 Grenzüberquerungen wurden registriert.
Die Daten zeigen einen Rückgang von 79 Prozent auf der westlichen Balkanroute, einen Rückgang von 64 Prozent auf der zentralen Mittelmeerroute, während an der östlichen Landgrenze der EU ein hoher Anstieg von 192 Prozent verzeichnet wurde.

Melonis „Mini-Gipfel“

Italiens rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni war am 17. Oktober gemeinsam mit Dänemark und den Niederlanden Gastgeberin von Gesprächen über Migration, bei denen Regierungen der politischen Mitte und der extremen Rechten zusammenkamen. Das Treffen hatte beim späteren Gipfel die Tonalität vorgegeben.

Vertreter aus Griechenland, der Tschechischen Republik, Estland, Zypern, der Slowakei, Malta, Österreich, Polen und Ungarn waren anwesend. Kontrovers war die Teilnahme von EU-Kommissionschefin von der Leyen.

Die Vertreter aller Länder, die an diesem Morgen zusammenkamen, waren sich einig, dass „wir mutiger und schneller reagieren müssen“, sagte der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala anschließend.

Der EU-Parlamentarier und Co-Vorsitzende der Grünen, Bas Eickhout, sagte hingegen im Vorfeld des Gipfels, dass „wir uns nicht der rechtsextremen Angstmacherei und der populistischen Propaganda zum Thema Migration beugen dürfen“.

Die Italien-Albanien-Modell gerät ins Stocken

Im November 2023 hatten Italien und Albanien eine Vereinbarung über zwei von Italien geleitete Aufnahmezentren auf albanischem Boden unterzeichnet, die Mitte Oktober in Betrieb genommen wurden. In den Zentren sollen Asylbewerber untergebracht werden, bis ihre Fälle aus der Ferne von italienischen Richtern bearbeitet werden.

Sechzehn Männer aus Bangladesch und Ägypten trafen am 16. Oktober im albanischen Hafen von Shëngjin ein.

Das umstrittene Abkommen wurde von anderen EU-Mitgliedstaaten als mögliche Blaupause für so genannte „Rückführungszentren“ betrachtet, während Kritiker es als „neues Guantanamo“ bezeichnen, das die Problematik auslagere und übermäßig teuer sei.

Italienische Richter lehnten am Freitag die Unterbringung der ersten Migranten in dem Nicht-EU-Land ab. Ein kürzlich ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) besagt, dass die Männer die Kriterien für eine Unterbringung in Albanien nicht erfüllten und stattdessen nach Italien gebracht werden müssten.

Vier der 16 wurden als „vulnerabel“ eingestuft und sofort nach Italien zurückgeschickt. Die übrigen zwölf gingen am Samstag an Bord eines Schiffes der italienischen Küstenwache, das sie nach Brindisi in Süditalien brachte, wie albanische Hafenbehörden mitteilten.

Die Entscheidung des Gerichts löste eine wütende Reaktion führender Kabinettsmitglieder aus. Der italienische Vize-Ministerpräsident und Verkehrsminister Matteo Salvini warf den Richtern vor, sie seien „politisiert“. Meloni reagierte auf das Urteil mit den Worten: „Die Italiener haben mich gebeten, die illegale Einwanderung zu stoppen, und ich werde alles tun, um mein Wort zu halten und den Menschenhandel zu stoppen“.

Am Montag (21.10.2014) verabschiedete die italienische Regierung ein Dekret zur Migration, in dem eine Liste sicherer Länder für die Rückführung festgelegt wird. Die Maßnahme zielt darauf ab, das rechtliche Problem der Unterbringung von Migranten in Albanien zu lösen. Es enthält eine Liste sicherer Länder als Teil der Primärgesetzgebung und nicht als interministeriellen Erlass, „den ein Richter nicht ignorieren kann“, sagte Justizminister Carlo Nordio am späten Montag.

Italiens Maßnahmen für Migranten, einschließlich seiner Zentren in Albanien, um Migranten in den von Italien betriebenen Zentren in dem Balkanland unterzubringen, müssen mit dem EU-Recht übereinstimmen, sagte ein Sprecher der Europäischen Kommission am Montag.

„Wir sind uns des Urteils in Italien bewusst und stehen in Kontakt mit den italienischen Behörden: Im Moment gibt es keine europäische Liste sicherer Drittstaaten, die Mitgliedstaaten haben nationale Listen, aber es wird erwartet, dass wir daran arbeiten werden“, sagte der Sprecher.

Blick auf die Migration in der gesamten Europäischen Union

Bei der Migration innerhalb Europas scheint sich das Blatt gewendet zu haben. Während viele die Beschleunigung der Verfahren und die Umsetzung des EU-Migrationspakts befürworten, ist die Idee, Asylanträge außerhalb der EU zu stellen, umstritten. Einige Länder versuchen zudem, aus dem Pakt ganz auszusteigen.  

In den letzten Wochen beantragten die Niederlande bei der Europäischen Kommission ein Opt-out aus dem EU-Migrationspakt – ein beispielloser Schritt, dessen Erfolg als unwahrscheinlich gilt. Ungarn folgte dem Beispiel.

Im Oktober kündigte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk eine vorübergehende Aussetzung des Rechts auf Asyl für Migranten an, die aus Belarus kommen. Warschau wirft Moskau und Minsk vor, Migranten an die polnische Grenze, die auch eine EU-Außengrenze ist, zu drängen, um den Block zu destabilisieren und die Sicherheit zu untergraben.

Finnland, das im Osten über rund 1.340 Kilometer an Russland grenzt, schloss die gemeinsame Grenze im vergangenen Jahr. Das Land warf Moskau vor, absichtlich Asylbewerber ohne Papiere an die Grenzübergänge zu bringen. Bei seiner Ankunft auf dem Gipfel erklärte der finnische Ministerpräsident Petteri Orpo, dass er Polen „unterstützt und versteht“ und forderte eine Lösung auf EU-Ebene.

In Schweden strebt die derzeitige rechtsgerichtete Regierung die strengste Asylpolitik in der Europäischen Union an und verkündet stolz, dass die Zahl der Asylbewerber derzeit so niedrig sei wie seit 1997 nicht mehr.

Trotz der härteren Gangart in der Migrationsfrage unterstützt die schwedische Regierung den neuen EU-Pakt über Asyl und Migration und steht Ländern, die eine Ausnahmeregelung oder ein Modell wie in Ruanda anstreben, sehr skeptisch gegenüber.

Die frühere britische Regierung hatte geplant, Asylbewerber, die ohne gültige Papiere in das Vereinigte Königreich kamen, sofort nach Ruanda abzuschieben. Diese Regelung wurde vom derzeitigen Premierminister Keir Starmer an seinem ersten Tag im Amt abgeschafft.

Das deutsche Parlament beschloss vor kurzem (18. Oktober) Kürzungen der Leistungen für Asylbewerber und damit einen Wendepunkt in der deutschen Haltung zur Einwanderung markiert. Das Land hat außerdem die Grenzkontrollen an den Grenzen zu allen neun Nachbarländern ausgeweitet und damit Elemente der EU-Freizügigkeitsregeln vorübergehend ausgesetzt.

Frankreichs neuer Innenminister, Bruno Retailleau, beklagte, dass das EU-Recht die Rückführung von Migranten in ihre Heimatländer „fast unmöglich“ mache. Das Land verlängerte außerdem die vorübergehenden Grenzkontrollen mit sechs seiner Nachbarländer, darunter Luxemburg, Belgien, Deutschland, Italien, Spanien und die Schweiz, bis Ende April nächsten Jahres.

17.10.2024, Belgien, Brüssel: Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez (l) spricht mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, während sie an einem runden Tisch während eines EU-Gipfels in Brüssel teilnehmen. Foto: Omar Havana/AP/dpa

Reaktionen auf den Gipfel

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz forderte die Mitgliedstaaten auf, die Umsetzung eines neuen EU-Migrationsabkommens voranzutreiben. Er blieb skeptisch gegenüber der Idee der externen Zentren.

Auch der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez ist der Ansicht, dass externe Zentren keines der bestehenden Probleme lösen, sondern neue schaffen würde. Sánchez, der sich ebenfalls für eine schnellere Umsetzung des EU-Migrationspakts ausspricht, erklärte, dass „wir das Migrationsphänomen mit Blick auf künftige Generationen und nicht auf die nächsten Wahlen angehen müssen“.

Slowenien gehört zu denjenigen Staaten, die die Umsetzung bestimmter Maßnahmen des EU-Migrationspakts beschleunigen wollen. „Slowenien plädiert für eine sofortige Umsetzung der Maßnahmen, die Transit- und Herkunftsländer einbeziehen sollen, und für eine bessere Finanzierung in der Zukunft“, sagte Ministerpräsident Robert Golob am Rande des Gipfels.

Portugals Premierminister Luís Montenegro erklärte, das Land sei bereit, Einwanderer aufzunehmen, werde dies aber nicht „mit weit geöffneten Türen“ tun. Darüber hinaus erklärte er, das Land die EU-Mechanismen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung unterstütze, sofern die Menschenrechte geachtet würden.

Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala sagte auf dem Gipfel vor Journalisten, die Europäische Union müsse ihre Rückführungspolitik grundlegend ändern, ihre Außengrenzen viel besser schützen und stärker mit Drittländern zusammenarbeiten. Die Lösung bestehe nicht darin, „Kontrollen innerhalb des Schengen-Raums durchzuführen, wie es jetzt geschieht“.

Besorgt über Auswirkungen in der Nachbarschaft?

Bosnien und Herzegowina (BiH), ein wichtiges Transitland auf der Balkan-Migrationsroute, sieht sich aufgrund der versuchten  illegalen Grenzübertritte nach Kroatien einem erhöhten Druck ausgesetzt. Strengere Maßnahmen an den EU-Grenzen könnten dazu führen, dass mehr Migranten in Bosnien und Herzegowina stranden.

Der Dienst für Ausländerangelegenheiten von Bosnien und Herzegowina ist nicht besorgt über die aktuelle Zahl der Migranten, die ähnlich hoch ist wie in den Vorjahren. Obwohl die Situation an den Grenzen zu Serbien und Montenegro derzeit stabil ist, warnten die Behörden davor, dass es in Folges des Abkommens zwischen Italien und Albanien zu einem Anstieg der illegalen Einreisen aus Albanien kommen könnte.

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