Die Europäische Kommission hat angeblich die «Untauglichkeit von Impfstoffen» gegen die Covid-19-Pandemie bestätigt. Das jedenfalls behauptet die Ko-Vorsitzende der deutschen Partei AfD, Alice Weidel. In einem Video, das in den sozialen Netzwerken kursiert, führt die Politikerin aus: Die Kommission habe auch erklärt, dass die Impfung «weder vor Übertragung noch vor Ansteckung schütze». Die Steuerzahler hätten Milliarden für Impfungen bezahlt, die «überhaupt nie funktionierten».
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Die Behauptung ist falsch. Der EU-Kommission werden Äußerungen zugeschrieben, die sie so nicht gemacht hat.
Fakten
In einem Facebook-Post aus Luxemburg wird ein mit der Überschrift «Größter Medizin-Skandal» und «EU-Kommission bestätigt Untauglichkeit von Impfstoffen» versehenes Video der AfD mit einem Statement Weidels verbreitet. «Unbedingt zuhören», rät der Nutzer in luxemburgischer Sprache.
In diesem Video sagt Weidel unter Berufung auf einen Artikel in der schweizerischen Wochenzeitung «Weltwoche», bei einer Anhörung im Europaparlament habe die Managerin des US-Pharmaherstellers Pfizer, Janine Small, zugegeben, dass «der Impfstoff vor der millionenfachen Injektion nicht darauf getestet worden war, die Übertragung des Virus zu stoppen».
Dies ist im Wesentlichen zutreffend. Small hatte bestätigt, dass zum Zeitpunkt der Zulassung keine Daten über den sogenannten Fremdschutz vorlagen. Der niederländische EU-Abgeordnete Rob Roos hatte diese Aussage in einem Video per Twitter weiterverbreitet. Er wertete sie als Beweis dafür, dass alle Corona-Restriktionen völlig unbegründet gewesen seien. Auch Weidel wiederholte in ihrem Statement: «Das ist ein Skandal.»
Tatsächlich handelt es sich bei Smalls Aussage nicht um ein «Geständnis», sondern um das öffentliche Allgemeinwissen vom Dezember 2020. Neuere Faktenchecks haben das in deutscher und niederländischer Sprache jüngst nochmals dargelegt.
So hatte die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA bereits in ihrer Mitteilung über die Zulassung des ersten Corona-Impfstoffs vom 21.Dezember 2020 ausdrücklich – und sehr offiziell – festgehalten: «Die Auswirkungen der Impfung mit Comirnaty auf die Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus in der Bevölkerung sind noch nicht bekannt. Es ist noch nicht bekannt, inwieweit geimpfte Personen das Virus noch in sich tragen und verbreiten können.»
Und schon am 11. Dezember 2020 hatte die US-Behörde FDA in einer Mitteilung über die Zulassung des Pfizer-Impfstoffs betont: «Zum jetzigen Zeitpunkt liegen keine Daten vor, die eine Aussage darüber zulassen, wie lange der Impfstoff schützt, und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass der Impfstoff die Übertragung von SARS-CoV-2 von Mensch zu Mensch verhindert.»
Pfizer-Chef Albert Bourla sagte der irischen Webseite «The Journal» vom 13. Januar 2021 zufolge, es seien noch Forschungen hinsichtlich der Frage nötig, ob die Impfungen auch die Weiterverbreitung des Virus verhindern könnten: «Dies ist noch nicht schlüssig. Wir wissen, dass es bei Tieren einen signifikanten Schutz vor der Übertragung des Virus gibt … . Beim Menschen haben wir das noch nicht [bewiesen].»
Eindeutig falsch ist dann die Äußerung Weidels, die EU-Kommission habe bei einer Anhörung am 13. Oktober 2022 «zugegeben, dass dieser Impfstoff niemals vor einer Ansteckung geschützt hat». Die Behauptung, die EU-Kommission habe bestätigt, «dass die Impfung weder vor Übertragung noch vor Ansteckung schütze», ist so ebenfalls nicht korrekt – zumal mittlerweile mehrere wissenschaftliche Untersuchungen aus dem Jahr 2021 durchaus einen Fremdschutz vor allem gegen die erste Virusvariante nachweisen.
Auch die Äußerung, es seien «Milliarden an Steuergeldern rausgeschmissen worden für solche Impfungen, die jetzt den Statements nach überhaupt nie funktionierten», kann sich nicht auf die Aussagen der EU-Kommission vom 13. Oktober beziehen. Dort hatte der Direktor der bei der Kommission angesiedelten Stelle für Krisenvorsorge (HERA), Wolfgang Philipp, vielmehr erklärt: «Diese Impfstoffe sind hocheffizient, das sehen wir. Wir haben verringerte Zahlen für die Einlieferung in Krankenhäuser, wir haben verringerte Zahlen von schweren Verläufen. Und das ist es, was diese Impfstoffe leisten.»
In einer Videoaufzeichnung der Sitzung des Covid-Untersuchungsausschusses des Europaparlaments sagt Philipp (Zeitstempel 12:53) außerdem: «In einer Pandemie muss man sich entscheiden, was für eine Gegenmaßnahme, was für eine Antwort man haben will. Und diese Impfstoffe haben sich recht gut bewährt. Wenn man ein Vakzin zur Verhinderung der Übertragung haben will – vielleicht hätten wir das mit Glück bekommen können, aber noch gibt es das nicht. Es gibt Arbeiten in dieser Richtung. Aber das wäre ein völlig unterschiedliches Impfstoff-Design.»
Es stimmt, dass Wissenschaftler und Politiker für die Impfung auch mit dem Argument geworben haben, damit schütze man nicht nur sich selbst, sondern auch andere. Zwar gab es Daten über diesen sogenannten Fremdschutz noch nicht zum Zeitpunkt der Zulassung. Doch schon Anfang 2021 lagen dazu durchaus Daten in verschiedenen Studien vor. Etwa in einer im New England Journal of Medicine im April 2021 veröffentlichten Studie und in einer in Lancet veröffentlichten Studie vom Mai 2021. Beide Studien beziehen sich auf Israel und weisen die Wirksamkeit des frühen Impfstoff-Typs BNT162b2 nach.
Das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI) teilte im Februar 2022 mit, dass der Fremdschutz bei der Omikron-Virusvariante deutlich geringer als bei früheren Varianten sei. In einer aktuellen Mitteilung vom 13.10.2022 betont das RKI aber: «Über die Transmission (Übertragbarkeit des Virus) unter Omikron gibt es bisher keine ausreichenden Daten; sie scheint bei Geimpften weiterhin reduziert zu sein, wobei das Ausmaß der Reduktion nicht vollständig geklärt ist.» Studien aus Norwegen und Dänemark zeigten, dass auch bei Omikron die Übertragbarkeit um 6 bis 21 Prozent nach der Grundimmunisierung und um weitere 5 bis 20 Prozent nach einer Auffrischungsimpfung verringert sei.
Links
Bourla in The Journal, archiviert
Videoaufzeichnung EU-Parlament
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