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Die Europäische Union lehnte am Montag die Idee ab, den politischen Dialog mit Israel wegen dessen Menschenrechtsverletzungen im Gazastreifen auszusetzen. Der Vorschlag wurde vom scheidenden Hohen Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, gemacht. Wenige Tage vor dem Ende seiner Amtszeit warnte er: „Die Geschichte wird über uns alle urteilen, über uns alle“.

Borrell sagte am Montag, er habe „keine Worte mehr“, um die Krise im Nahen Osten zu beschreiben, als er bei seinem möglicherweise letzten Treffen der Außenminister seine Bilanz zog. In einer düsteren Pressekonferenz sagte Borrell, dass eine Mehrheit der 27 EU-Staaten – wie erwartet – seinen Aufruf zur Aussetzung des politischen Dialogs mit Israel wegen des Gaza-Kriegs abgelehnt habe.

Borrell, der seine Frustration über den mangelnden Einfluss der EU auf den israelisch-palästinensischen Konflikt während seiner fünfjährigen Amtszeit kaum verbergen konnte, sagte zuvor, dass ihm „die Worte ausgegangen sind, um zu erklären, was passiert ist“.

Borrells Vorschlag, den politischen Dialog der EU mit Israel – der Teil eines umfassenderen Abkommens über Handelsbeziehungen ist – auszusetzen, war auf den Widerstand vieler Mitgliedstaaten gestoßen, darunter Frankreich, Deutschland, die Niederlande, die Tschechische Republik, Ungarn, Italien und Belgien.

Die Tagung des Rates für Auswärtige Angelegenheiten am 18. November könnte die letzte unter dem Vorsitz von Borrell sein. Die frühere estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas, wir  wahrscheinlich Borrells Nachfolge in der nächsten Kommission von Ursula von der Leyen antreten.

„Dies ist ein Krieg gegen die Kinder“

„Dies ist ein Krieg gegen die Kinder“, sagte der 77-jährige EU-Außenpolitikchef nach dem EU-Rat für Auswärtige Angelegenheiten vor Reportern. Er beschrieb eine „apokalyptische Situation in Gaza, wo 70 Prozent der Todesopfer Kinder und Frauen sind“ und zwei Millionen Menschen vertrieben wurden. Borrell würdigte auch das Leid der israelischen Geiseln, die von der Hamas und anderen militanten Gruppen seit den Angriffen auf Israel am 7. Oktober 2023 festgehalten werden.

Bei den Hamas-Angriffen starben 1.206 Menschen, zumeist Zivilisten, wie die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf offizielle israelische Zahlen berichtet. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums im von der Hamas regierten Gazastreifen wurden dort seit dem 7. Oktober 43.922 Menschen, überwiegend Zivilisten, getötet.

Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten gegen Einfrieren des EU-Dialogs mit Israel

„Die meisten Mitgliedstaaten waren der Meinung, dass es viel besser sei, die diplomatischen und politischen Beziehungen zu Israel fortzusetzen“, bestätigte Borrell.

Seinein Vorschlag werde durch einen Bericht des EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, Olof Skoog, untermauert, so Borrell. Der Bericht stützt sich auf eine Zusammenstellung von Daten über Menschenrechtsverletzungen, die von UN-Agenturen und anderen im Gazastreifen, Westjordanland und Libanon tätigen internationalen Organisationen veröffentlicht wurden.

Der EU-Chefdiplomat erklärte, seine Dienststellen hätten „zumindest alle Informationen auf den Tisch gelegt“, die von UN-Gremien und internationalen Organisationen vor Ort erstellt worden seien, „um die Art und Weise, wie der Krieg geführt wird, beurteilen zu können“.

Borrell fügte hinzu, dass er dies getan habe, nachdem die Europäische Kommission „nichts vorgeschlagen“ habe, seit Spanien und Irland im Februar eine „dringende Überprüfung“ der Einhaltung der Verpflichtungen Israels zu den Menschenrechten.  im Rahmen des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel gefordert hätten.

EU uneins über israelisches Vorgehen in Gaza und im Westjordanland

Seit der verheerenden Vergeltungsoffensive Israels im Gazastreifen sind die EU-Staaten über den Konflikt tief gespalten.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wies Borrells Vorschlag zurück, den regelmäßigen politischen Dialog mit Israel auszusetzen. „Wir sind immer dafür, Kanäle des Dialogs offen zu halten. Das gilt natürlich auch für Israel“, sagte sie. „Humanitäre Hilfe ist fest im Völkerrecht verankert“, sagte sie. Baerbock stellte klar, dass es keine Kolonisierung des Gazastreifens und keine Vertreibung aus dem Gazastreifen geben dürfe.

Frankreich hat sich gegen ein Einfrieren des EU-Dialogs mit Israel ausgesprochen, unterstützt aber Sanktionen gegen israelische Siedler, die beschuldigt werden, palästinensische Zivilisten im besetzten Westjordanland angegriffen zu haben. „Wir fühlen uns der Sicherheit Israels zutiefst verbunden“, sagte der französische Außenminister Jean-Noël Barrot auf dem Pariser Friedensforum, aber “im Interesse Israels, der israelischen Sicherheit, muss das internationale Recht respektiert und Gerechtigkeit erreicht werden”. Bei seinem Besuch im Westjordanland am 7. November hatte Barrot bereits eine neue Runde von Sanktionen angedroht und Frankreichs Engagement für eine Zweistaatenlösung im israelisch-palästinensischen Konflikt bekräftigt.

Die portugiesische Staatssekretärin für europäische Angelegenheiten Inês Domingos, erklärte, Portugal sei ebenfalls gegen Borrells Vorschlag und betonte, dass dies „nicht der ideale Zeitpunkt“ dafür sei. Domingos sagte, es gebe inhaltliche Gründe, da Lissabon den Dialog als „positiv“ betrachte, aber es sei auch eine Frage des Timings, da es derzeit einen Übergang auf der Ebene der EU-Exekutive gebe. Das Genehmigungsverfahren für die neue Europäische Kommission läuft derzeit – die Anhörungen der neuen Kommissare sind im Gange und die neue Kommission wird voraussichtlich im Dezember ihre Arbeit aufnehmen. „Im Moment glauben wir (…), dass es wichtig ist, den politischen Dialog zu erhalten“, sagte sie.

Der niederländische Außenminister Caspar Veldkamp sagte: „Es gibt einen neuen israelischen Minister (Israel Katz, neuer Verteidigungsminister), es wird bald einen neuen (EU-)Hohen Vertreter geben; wir werden auf diese beiden Gelegenheiten warten, um den Dialog zu beginnen, denn es gibt viel zu besprechen, einschließlich der katastrophalen humanitären Situation im Gazastreifen.“

Der italienische Außenminister Antonio Tajani betonte: „Den Dialog mit Israel zu boykottieren, macht keinen Sinn. Wenn man sich für den Frieden einsetzen will, kann man es nicht vermeiden, mit Israel zu sprechen.“

Die stellvertretende bulgarische Außenministerin Elena Shekerletova betonte die Notwendigkeit, den Konflikt zu deeskalieren, die diplomatischen Bemühungen zu erneuern und die Eskalation der Feindseligkeiten in der Region zu verhindern. „Bulgarien unterstützt die Umsetzung der Resolution 2735 des UN-Sicherheitsrates, die die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln und die Einstellung der Feindseligkeiten vorsieht“, so Shekerletova.

Im Namen Sloweniens erklärte Außenministerin Tanja Fajon, das Land sei bereit, den Vorschlag Borrells, den Dialog mit Israel auszusetzen, zu prüfen. Man müsse sich auf Artikel 2 des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel konzentrieren, in dem es um die Achtung der Menschenrechte geht. „Dies ist das Wichtigste, was bewahrt werden muss. Aber es gibt auch noch andere Dinge, weshalb eine Aussetzung in Betracht gezogen werden sollte.“

Fajon forderte erneut schärfere Sanktionen gegen israelische Siedler, die Gewalt gegen Palästinenser im Westjordanland ausüben. Die Außenministerin forderte auch Sanktionen gegen führende israelische Politiker, die dies unterstützen. Darüber hinaus forderte sie ein Embargo für Importe, die als aus den besetzten palästinensischen Gebieten stammend gekennzeichnet sind.

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