Kiew – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj macht nach dem Gipfel mit der EU in Kiew weiter Druck für einen raschen Beitritt seines Landes zur Europäischen Union. «Wir sprechen bereits als Mitglieder der EU», sagte Selenskyj in seiner am 3. Februar in Kiew verbreiteten allabendlichen Videobotschaft. Der Status müsse nur noch rechtlich verankert werden, meinte er. Die EU-Kommission mit Präsidentin Ursula von der Leyen an der Spitze hatte jedoch betont, dass die Ukraine noch einen langen Weg vor sich habe bis zu einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union.
«Es gibt ein Verständnis, dass es möglich ist, die Verhandlungen über eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union dieses Jahr zu beginnen», meinte Selenskyj. Von EU-Seite gab es keine solchen konkreten Aussagen. Von der Leyen hatte zwar Selenskyjs Entschlossenheit und Reformwillen gelobt in Kiew, aber auch betont, dass es noch einiges zu tun gebe. Einen Zeitplan gibt es nicht.
Selenskyj ist traditionell euphorisch mit Blick auf eine schnelle EU-Mitgliedschaft der Ukraine. «Wir bereiten die Ukraine auf eine größere Integration in den internen Markt der EU vor – das bedeutet mehr Einkommen für ukrainische Unternehmen, mehr Produktion und Jobs in unserem Land. Und mehr Einkommen für unseren Staat und die lokalen Haushalte», sagte er. «Das ist das, was die Ukraine wirklich stärker macht.» Die Ukraine werde alles dafür tun, dass die russische Aggression zu einem «Selbstmord» werde für Moskau. So habe auch die EU nun seinen Plan für einen Frieden in der Ukraine begrüßt. Kern von Selenskyjs Plan ist der Rückzug russischer Truppen, bevor Verhandlungen beginnen. Russland, das fast 20 Prozent des Gebiets der Ukraine kontrolliert, lehnt dieses Ansinnen als absurd ab.
Selenskyj berichtete auch über den Besuch des polnischen Verteidigungsministers Kollege Mariusz Blaszczak. Innerhalb der westlichen Panzer-Koalition werde alles dafür getan, dass die Ukraine so schnell wie möglich moderne schwere Waffen bekomme. Die Panzer sollen dem Land nicht nur helfen, den russischen Vormarsch zu stoppen, sondern auch die Eroberung besetzter Gebiete rückgängig zu machen. Selenskyj räumte ein, dass angesichts massiver russischer Angriffe die Lage im Donbass im Osten der Ukraine schwierig sei. (5. Februar)
Neue Öl-Sanktionen gegen Russland gelten
Brüssel – Ölprodukte aus Russland dürfen vom 5. Februar an nicht mehr in die Europäische Union importiert werden. Grundlage der Einfuhrbeschränkung ist eine im vergangenen Juni von den 27 Mitgliedstaaten beschlossene Sanktionsverordnung wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Sie trat bereits kurz nach dem Beschluss in Kraft, sah aber für das Ölprodukte-Embargo eine lange Übergangsfrist vor. Der Import von russischem Rohöl in die EU ist bereits seit dem vergangenen Dezember weitgehend verboten. Bei dem Ölprodukte-Embargo gibt es lediglich eine Ausnahmeregelung für Kroatien.
Ebenfalls vom 5. Februar an gilt eine Regelung, die Russland dazu zwingen soll, Erdölprodukte künftig unter Marktpreis an Abnehmer in anderen Staaten zu verkaufen. Sie sieht für Erzeugnisse wie Diesel eine Preisobergrenze von 100 US-Dollar (rund 92 Euro) pro Barrel vor, für weniger hochwertige Erdölprodukte wie Heizöl soll sie bei 45 Dollar (rund 41 Euro) pro Barrel (159 Liter) liegen. Zum Vergleich: An internationalen Börsen wurde ein Barrel Diesel zur Lieferung nach Europa zuletzt zu Preisen von umgerechnet etwa 100 bis 120 Euro gehandelt.
Beide Maßnahmen sollen dazu beitragen, die russischen Handelsgewinne zu begrenzen, und dadurch auch Russlands Fähigkeiten zur Kriegsführung einschränken. Schon die bereits im vergangenen Dezember eingeführte Preisobergrenze für russische Rohöllieferungen in Drittstaaten kostet Russland nach Angaben der EU-Kommission geschätzt rund 160 Millionen Euro pro Tag. Ziel des Preisdeckels ist es zugleich, neue Preissprünge an den internationalen Märkten zu verhindern, um damit die EU-Staaten und auch Drittländer zu schützen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen teilte zu dem Vorhaben mit, gemeinsam mit der Gruppe der führenden westlichen Industrienationen (G7) werde man Russlands Einnahmen reduzieren und die Stabilität der internationalen Energiemärkte garantieren. Schwierig hatten sich in den vergangenen Tagen die Verhandlungen über die konkreten Preisobergrenzen gestaltet. Polen und die baltischen Staaten forderten nach Angaben von Diplomaten möglichst niedrige Beträge, um die Einnahmen Russlands so niedrig wie möglichst zu halten. Andere Staaten befürchteten hingegen, dass Russland dann Lieferungen stoppen könnte, was eine Verknappung des Angebots und einen Anstieg der Weltmarktpreise zur Folge haben könnte. Als ein Zugeständnis an Länder wie Polen wurde laut Diplomaten nun vereinbart, die Regeln für die kontinuierliche Überprüfung der Preisobergrenzen so zu ändern, dass eher Anpassungen nach unten möglich sind. (5. Februar)
Kulturhauptstadt-Jahr in Eleusis eröffnet – Stadt hat viel Hoffnung
Athen – Mit einer multimedialen Feier, Laser- und Scheinwerferstrahlen, Tanz und Musik und der Beteiligung zahlreicher Einwohner hat am 4. Februar die kleine griechische Hafenstadt Eleusis (auch: Elefsina) ihr Europäisches Kulturhauptstadt-Jahr eingeleitet. Sie ist mit rund 30 000 Einwohnern die bislang kleinste Stadt, die Kulturhauptstadt Europas wird. Die Feierlichkeiten dauerten bis in die frühen Morgenstunden.
Eleusis liegt rund 20 Kilometer westlich der griechischen Hauptstadt Athen. Nun ist man bestrebt, sich aus dieser Randlage zu befreien und eigenständiger zu werden. «Für uns ist das Jahr der Kulturhauptstadt die Hoffnung für einen Neustart und bessere Zeiten», sagte Bürgermeister Argyris Oikonomou während der Eröffnungsfeier. Die Veranstalter benutzen bewusst den altgriechischen Stadtnamen Eleusis und nicht den heutigen Namen Elefsina, um auf die Bedeutung der Stadt in der Antike hinzuweisen.
Das Motto lautet «Geheimnisse des Übergangs» (Mysteries of Transition). Alle Inszenierungen spiegelten das, wofür die Stadt in der Antike stand: Dort fanden die «Mysterien von Eleusis» statt, eine Art Geheimkult, mit dem jährlich die Neugeburt der Natur gefeiert wurde. Die Riten zogen damals Tausende Athener an, die in die Stadt pilgerten. Tausende Einwohner strömten nun auch zur Küste der kleinen Hafenstadt, um diesen Ritus zu wiederholen. Regen störte vorübergehend die Feierlichkeiten. Als Höhepunkt des Programms von Eleusis23 gilt die szenische Umsetzung des «Deutschen Requiems» von Johannes Brahms. Das «Human Requiem» von Regisseur Jochen Sandig und dem Berliner Rundfunkchor wird Ende September 2023 in der antiken Stätte von Eleusis aufgeführt. Der österreichische Regisseur David Haneke will auf Basis von Aufnahmen des Konzerts einen Film konzipieren.
In der antiken Stätte von Eleusis befindet sich nach der Mythologie der Antike der Eingang zur Unterwelt. Hades – der Herrscher der Unterwelt – soll die Tochter der für die Fruchtbarkeit der Erde zuständigen Göttin Demeter entführt haben. Demeter ist zornig und lässt nichts mehr wachsen. Die Menschen hatten der Mythologie zufolge nichts zu essen. Nach einem langen Verhandlungsmarathon kommt es zur Vereinbarung: Die entführte Tochter durfte von Zeit zu Zeit wieder die Unterwelt verlassen und ihre Mutter Demeter besuchen. Die Göttin Demeter gab nach und alles durfte wieder blühen und später auch geerntet werden – aber nur solange die Tochter bei ihr war, erklären die Archäologen. So sollen die Jahreszeiten entstanden sein, heißt es in der antiken griechischen Mythologie.
Eleusis war immer mit der griechischen Hauptstadt Athen verbunden – und stand stets in deren Schatten. Nun ist man bestrebt, sich aus dieser Randlage zu befreien und eigenständiger zu werden. Kulturdirektor Michail Marmarinos forderte die Menschen im Ausland auf: «Kommen Sie nach Eleusis und probieren Sie es. Es lohnt sich». (5. Februar)
Als Antwort auf USA: Habeck offen für Steuervorteile für Firmen
Stockholm – Als Antwort auf ein milliardenschweres US-Subventionsprogramm will Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck neue Wege in der EU beschreiten und deren Wettbewerbsfähigkeit stärken. Europa müsse seine Hausaufgaben machen, sagte der Grünen-Politiker am 2. Februar zum Auftakt einer zweitägigen Reise nach Schweden. «Wir müssen wettbewerbsfähig bleiben oder wieder werden.»
Habeck nannte einen Vorschlag der EU-Kommission über Steuervergünstigungen für Firmen bei Investitionen in klimafreundliche Technologien interessant. Steuervorteile könnten ein Weg sein, damit Firmen schneller investierten, machte er in Stockholm deutlich. Habeck sprach vom Umriss einer «starken und robusten» Antwort der EU auf das US-Programm Inflation Reduction Act. Habeck sagte, es komme darauf an, «grüne Leitmärkte» in der EU zu entwickeln.
Wegen dieses milliardenschweren US-Subventionsprogramms befürchtet die EU Wettbewerbsnachteile. Die USA locken Firmen mit Subventionen. Unternehmen könnten nun eher in den USA als in Europa produzieren. Schweden hat derzeit den EU-Ratsvorsitz inne. Habeck will in Gesprächen mit schwedischen Regierungsvertretern Gemeinsamkeiten ausloten. Der Besuch in Schweden dient auch der Vorbereitung einer US-Reise Habecks nach Washington ab 6. Februar. Dort will er der US-Regierung zusammen mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire die Position der EU zum Inflation Reduction Act darlegen.
«Ich glaube, wir haben eine gute Chance, eine Handelsauseinandersetzung, manche sagen Handelskrieg, zu vermeiden», sagte Habeck. Die USA und die EU müssten zusammenarbeiten.
«Eigentlich müssten wir es schaffen, gerade im Industriebereich eine grüne Brücke über den Atlantik zu schlagen»
sagte Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck.
Die schwedische Wirtschaftsministerin Ebba Busch nannte den US-Inflation Reduction Act ein ernstes Risiko für die europäische Wirtschaft. Es gehe aber nicht darum, einen Handelskrieg mit den USA zu führen. Habecks Besuch in Stockholm kommt einen Tag, nachdem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen milliardenschwere Investitionen in klimafreundliche Technologien als Antwort der EU auf das US-Programm vorgeschlagen hatte. Verfahren in der EU müssten deutlich schneller werden, sagte Deutschlands Wirtschaftsminister. Er machte außerdem deutlich, Fördergelder müssten breiter gestreut werden, um technologische Abhängigkeiten etwa von Asien zu verringern. Habeck will in Schweden auch dafür werben, dass der schwedische Batteriehersteller Northvolt eine Fabrik im Bundesland Schleswig-Holstein baut.
Zur Frage eines möglichen Industriestrompreises in Deutschland und Europa sagte Habeck, die Möglichkeit, dass man Strom oder Stromzugänge Unternehmen bevorzugt gewähren könne, müsse beihilferechtlich genehmigt werden. Dies sei ein Teil, der ihm fehle in dem von der EU-Kommission vorgelegten Paket als Antwort auf den Inflation Reduction Act. Firmen wie Northvolt, die jetzt investierten, wollten wissen, welchen Strompreis sie in zwei, drei Jahren bekommen. (2. Februar)
Gericht verurteilt Ungarn im Zusammenhang mit Tod eines Flüchtlings
Straßburg – Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Ungarn im Zusammenhang mit dem Tod eines Flüchtlings verurteilt. Ungarn müsse knapp 40 000 Euro Schadenersatz zahlen, entschieden die Richter in Straßburg am 2. Februar.
An den EGMR hatte sich ein Syrer gewandt, der 2016 zusammen mit seinem Bruder und anderen Flüchtlingen, darunter eine Familie mit drei Kindern, den Tisza-Fluss von Serbien nach Ungarn mit dem Boot überqueren wollte. Unterstützt wurden sie dabei von Schmugglern. Der Kläger gab an, dass ungarische Grenzschützer sie zurück nach Serbien drängen wollten. Sie hätten Tränengas eingesetzt und Steine geschmissen, außerdem seien Polizeihunde losgelassen worden, als er versucht habe, ans Ufer zu gehen. Sein Bruder sei beim Versuch, an das serbische Ufer zurückzuschwimmen, ertrunken. Ungarn bestritt diese Darstellung.
Der Mann machte eine Verletzung des Recht auf Lebens geltend und dass die Behörden den Fall nicht angemessen untersucht hätten. Der Gerichtshof gab ihm nun teilweise Recht. Die Behörden seien ihrer Verpflichtung, das Leben des Mannes zu schützen, nicht ausreichend nachgekommen. Ungarn muss 34 000 Euro Schadenersatz zahlen und 5600 Euro an Verfahrenskosten übernehmen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat. Die von der EU unabhängigen Organe setzen sich für den Schutz der Menschenrechte in den 46 Mitgliedstaaten ein. (2. Februar)
Diese Zusammenstellung ist eine redaktionelle Auswahl auf der Grundlage der Europa-Berichterstattung der dpa. Die redaktionelle Verantwortung liegt bei der dpa. Der EU Digest erscheint jeweils montags und donnerstags.
