Die Krankenhäuser haben seit einigen Wochen wieder vermehrt mit Corona-Infektionen und schweren Covid-Fällen zu schaffen. Es bleibt also wichtig, sich mit der Impfung und Hygienemaßnahmen zu schützen. Zugleich verbreitet sich in sozialen Netzwerken ein angebliches Geständnis des Impfstoffherstellers Pfizer: Der von Pfizer gemeinsam mit der Firma Biontech entwickelte mRNA-Impfstoff gegen Covid-19 könne keine Ansteckung verhindern, heißt es da: «Atemberaubende Zeugenaussage: Pfizer hat den COVID „Impfstoff“ nie darauf getestet, ob er die Übertragung des Virus «stoppt»! Wir wurden alle belogen!!!», tönt etwa ein deutschsprachiger Facebook-Beitrag. Was dazu tatsächlich im EU-Parlament gesagt wurde, ist allerdings kaum halb so aufregend.
Bewertung
Was die Pfizer-Vertreterin vor Europaabgeordneten sagte, ist zutreffend – aber überhaupt nicht neu. Es war nie ein Geheimnis, dass die Tests vor der Impfstoffzulassung nichts zu einer Wirkung auf die Übertragung des Virus sagten. Es ging vielmehr darum, den Schutz vor einer schweren Covid-Erkrankung nachzuweisen.
Fakten
Die Pfizer-Aussage stammt ursprünglich aus einer Anhörung im Europäischen Parlament am 10. Oktober: Der rechtskonservative niederländische Europa-Abgeordnete Robert Roos fragte dort die Pfizer-Sprecherin Janine Small, ob es vor der Zulassung des Biontech-/Pfizer-Impfstoffs Tests hinsichtlich der Übertragung gegeben habe. Die Pfizer-Sprecherin antwortet: «Nein.» Man habe damals mit großer Schnelligkeit auf das Virus reagieren müssen.
Diese Antwort ist weder neu noch schockierend. So hat die Europäische Arzneimittel-Agentur Ema bereits in ihrer Mitteilung vom 21. Dezember 2020 anlässlich der Zulassung des Pfizer-Impfstoffs festgehalten: «Die Auswirkungen der Impfung mit Comirnaty auf die Verbreitung des Sars-CoV-2-Virus in der Bevölkerung sind noch nicht bekannt. Es ist noch nicht bekannt, inwieweit geimpfte Personen das Virus noch in sich tragen und verbreiten können.» Ähnlich äußert sich die Ema in einem weiteren Bericht.
Schon am 11. Dezember 2020 hatte die US-Zulassungsbehörde FDA in einer Mitteilung über die Zulassung des Pfizer-Impfstoffs betont: «Zum jetzigen Zeitpunkt liegen keine Daten vor, die eine Aussage darüber zulassen, wie lange der Impfstoff schützt, und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass der Impfstoff die Übertragung von Sars-CoV-2 von Mensch zu Mensch verhindert.»
Pfizer-Chef Albert Bourla sagte der irischen Webseite «The Journal» vom 13. Januar 2021 zufolge, es sei noch Forschung hinsichtlich der Frage nötig, ob die Impfungen auch die Weiterverbreitung des Virus verhindern könnten: «Dies ist noch nicht schlüssig. Wir wissen, dass es bei Tieren einen signifikanten Schutz vor der Übertragung des Virus gibt … . Beim Menschen haben wir das noch nicht [bewiesen].»
Tatsächlich hatten weder die EMA noch die FDA den Nachweis einer verringerten Weiterverbreitung des Virus von den Impfstoff-Herstellern gefordert. Das entscheidende Kriterium war, dass die Impfstoffe als sicher gelten und mindestens einen 50-prozentigen Schutz gegen Erkrankung boten. Der Pfizer-Impfstoff hatte in der klinischen Studie ursprünglich eine Wirksamkeit von 95 Prozent. Mit anderen Worten, er schützt sehr gut vor einer schweren Erkrankung und damit vor einem Krankenhausaufenthalt – auch wenn mehrere in der Zwischenzeit aufgetauchte Virusvarianten den Schutz verringert haben.
Die Tatsache, dass die Zulassungsstudie die Weiterverbreitung von Mensch zu Mensch zunächst nicht untersucht hat, bedeutet im Übrigen nicht, dass die Impfung keinen Beitrag zur Verringerung der Übertragung leisten könnte.
Die Übertragung lässt sich nur schwer messen und untersuchen, schrieb das Fachmagazin «Nature» zu Beginn der Impfkampagne. Dennoch hat beispielsweise das «New England Journal of Medicine» im Februar 2022 eine Studie veröffentlicht, wonach die Impfung eine Übertragung vor allem der frühen Varianten des Virus verringert hat. Bei aktuelleren Varianten hatte die Impfung eine geringere Wirkung auf die Weiterverbreitung. Auch ein im «British Medical Journal» veröffentlichter Bericht von Anfang 2022 kommt zu dem Schluss, dass die Impfstoffe tatsächlich helfen, eine Infektion zu verhindern, und somit einen indirekten Einfluss auf die Übertragung haben.
Obwohl diese Dinge also längst öffentlich bekannt waren, fragte der Abgeordnete Roos die Pfizer-Direktorin bei der Anhörung erneut danach. Und als die Pfizer-Vertreterin Small korrekt antwortete, die Wirkung auf die Virus-Übertragung sei vor der Zulassung nicht geprüft worden, nahm der Politiker mit ernster Miene ein Video auf. Ihm gegenüber habe die Frau das «gerade zugegeben», erklärte er. Die irreführenden Aussagen in dem Video hat dpa auch in einem Faktencheck auf Niederländisch untersucht.
Links
Anhörung mit Pfizer im Europäischen Parlament am 10. Oktober 2022 (archiviert)
Video mit Antwort der Pfizer-Sprecherin (archiviert)
Ema-Impfstoffbewertungsbericht zu Pfizer (archiviert)
FDA-Mitteilung zu Zulassung des Pfizer-Impfstoffs, 11. Dezember 2020 (archiviert)
Pfizer-Chef Bourla in «The Journal» (archiviert)
Studie im «New England Journal of Medicine» zur Übertragungsreduktion durch die Impfung, Februar 2022 (archiviert)
Artikel in «Nature» im Februar 2021 zur Übertragung (archiviert)
Robert Koch-Institut über Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe (archiviert)
BMJ-Studienübersicht Corona-Impfstoffe und Infektionsübertragung (archiviert)
Facebook-Beitrag mit der Behauptung (archiviert)
Niederländischer dpa-Faktencheck
Niederländischer Facebookpost (archiviert) und archiviertes Video
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