Die Aussage im jüngsten Bericht des europäischen Klimawandel-Informationsdienstes Copernicus ist eindeutig: 2022 sei die von Satelliten gemessene Konzentration von Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) in der Atmosphäre so hoch gewesen wie nie zuvor. Verantwortlich dafür ist insbesondere die Nutzung fossiler Brennstoffe. Manche Menschen wollen das nicht wahrhaben. In sozialen Netzwerken teilen sie einen Ausschnitt aus einem Lexikon. Darin heißt es, dass in den Jahren 1827 bis 1829 ein CO2-Gehalt in der Luft von 0,04 Prozent gemessen wurde. «Es gab daher keinerlei CO2-Anstieg in den letzten 200 Jahren», behauptet ein Facebook-Nutzer und bezeichnet den menschengemachten Klimawandel als «Lüge». Seine Quelle hält einer genaueren Überprüfung allerdings nicht stand.

Bewertung

Die Wissenschaft hat im Laufe der Jahrzehnte neue Methoden und Erkenntnisse hervorgebracht. So hat sich auch die Messmethode zum Kohlenstoffdioxid-Gehalt in der Atmosphäre gewandelt und ist präziser geworden. Ende des 19. Jahrhunderts und im 20. Jahrhundert wurden deutlich niedrigere Werte als 0,04 Prozent gemessen. Der CO2-Gehalt in der Luft hat aktuellen Erkenntnissen zufolge in den vergangenen 200 Jahren dramatisch zugenommen.

Fakten

Als Grundlage ihrer Behauptung dient den Leugnern des Klimawandels in diesem Fall der zweite Band der Enzyklopädie «Neues Conversations-Lexikon für alle Stände» aus dem Jahr 1857. Auf den Seiten 320 und 321 wird über Versuche berichtet, den CO2-Gehalt der Luft zu messen, welche in den Jahren 1827 bis 1829 stattfanden. Durchgeführt hatte die Messungen der Schweizer Naturforscher Nicolas Théodore de Saussure.

Die Messergebnisse von de Saussure fielen je nach Witterung und Standort unterschiedlich aus. Die Autoren des Lexikons resümierten, dass gemäß der Gesamtheit dieser Untersuchungen der CO2-Anteil in der Atmosphäre etwa 0,04 Prozent betrage. Ob dieser konstant ist oder sich verändert und woher das CO2 in der Luft stammt, war damals noch unbekannt.

Umgangssprachlich wird Kohlendioxid manchmal auch als Kohlensäure bezeichnet. In der späteren Ausgabe aus dem Jahr 1890 wird Kohlensäure mit CO2 gleichgesetzt und ebenfalls mit 0,04 Prozent Luftanteil angegeben. Bereits damals erkannten Naturwissenschaftler den Zusammenhang von Kohlendioxid (CO2) und der Klimaveränderung.

Mit dem Fortschritt in der Wissenschaft haben sich auch die Messmethoden verbessert, die Methoden aus dem 19. Jahrhundert gelten heute als veraltet. In einer Publikation von 1984 erläutert ein Klimaforscher der Universität Bonn, dass Ende des 19. Jahrhunderts diverse, zur damaligen Zeit noch ungenaue Messmethoden den CO2-Gehalt auf 290 bis 295 «Parts per million» (ppm) bestimmten, was 0,029 bis 0,0295 Prozent wäre. Andere Forschende kamen mit anderen Messmethoden also auf niedrigere Ergebnisse als de Saussure.

Im Jahr 2008 hatten Forscher der Universität Bern mit Eisbohrungen in der Antarktis herausgefunden, dass die Konzentration des für den Klimawandel mitverantwortlichen Treibhausgases CO2 heute wesentlich höher liegt als jemals in den 800 000 Jahren zuvor. Die Schweizer Wissenschaftler haben die enge Verbindung von zunehmender Kohlendioxid-Konzentration und Klimawandel sowie des anthropogenen Treibhauseffektes damals bestätigt. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat sich in einem früheren Faktencheck schon näher mit der Zusammensetzung der Luft beschäftigt..

Die NASA eruierte den CO2-Gehalt in der Atmosphäre der letzten 800 000 Jahren. Wie in der Grafik zu sehen ist, gab es immer wieder Schwankungen, doch seit den 1950er Jahren stieg der CO2-Anteil unaufhaltsam an. Gemäß der NASA überstieg im Jahr 2013 der CO2-Gehalt in der Atmosphäre erstmals die 400 ppm-Marke. Stand Juli 2023 beträgt der Kohlendioxid-Gehalt 422 ppm. Ein bald 170 Jahre altes Lexikon kann von daher die Analysen des EU-Programms Copernicus nicht ersetzen.

Links

Copernicus-Bericht (archiviert)

Facebook-Post (archiviertTitelblatt archiviertSeite 320 archiviertSeite 321 archiviert)

Google-Books: Bibliografische Angaben zu «Neues Konversations-Lexikon für alle Stände», Band 2, 1857 (archiviert)

Google-Books: Neues Konversations-Lexikon für alle Stände, Band 2, 1857 (Seite 320 archiviertSeite 321 archiviert)

Meyers Konversations-Lexikon: eine Enzyklopädie des allgemeinen Wissens, 1890 (archiviert)

HLS: Nicolas Théodore de Saussure (archiviert)

Chemie-Lexikon: Kohlensäure (archiviert)

Universität Bonn: Das CO2-Klima-Problem, 1984 (archiviert)

Nature: CO2-Konzentration der Luft in den letzten 800 000 Jahren, 2008 (archiviert)

Myclimate: Anthropogene Treibhauseffekt, 01.03.2022 (archiviert)

NASA: Zusammensetzung der Luft (archiviert)

NASA: Kohlendioxid-Anstieg im Laufe der Erdgeschichte (archiviert)

NASA: Kohlendioxid Update Juli 2023 (archiviert)

dpa-Faktencheck: Bereits eine geringe Menge CO2 hat enorme Auswirkungen auf das Klima

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