Die Sommerferienzeit ist in vollem Gange. Wer sehnt sich nicht danach, in ein ruhiges Bergdorf oder an einen abgelegenen Strand zu entfliehen? Doch die Anreise mit Auto, Zug oder Flugzeug trägt ihren Teil zu der hohen Lärmbelastung bei, unter der Millionen Europäerinnen und Europäer auf dem gesamten Kontinent leiden.
Laut den neuesten Schätzungen der Europäischen Umweltagentur (EEA) ist mehr als jede bzw. jeder fünfte EU-Bürgerin oder -Bürger chronisch schädlichen Lärmbelastungen ausgesetzt. In städtischen Gebieten ist die Zahl noch höher. Die Hauptquelle ist sowohl dort als auch in ländlichen Gebieten der Straßenverkehr, gefolgt von Schienen- und Fluglärm.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet Lärm als die zweitgrößte umweltbedingte Ursache für gesundheitliche Probleme, direkt nach den Auswirkungen verschmutzter Luft.
Das Thema Lärmbelastung gehört zu den Null-Schadstoff-Zielen der Europäischen Kommission. Bis 2030 soll die Zahl der Menschen, die an einer chronischen Belastung durch Verkehrslärm leiden, im Vergleich zu 2017 um 30 Prozent reduziert werden.
Die EU definiert in ihrer Umgebungslärmrichtlinie (END) Lärmschwellen. Allerdings legt sie keine Grenzwerte für Lärm fest und schreibt auch keine Maßnahmen vor, die die Mitgliedstaaten in ihre Aktionspläne zur Lärmbekämpfung aufnehmen müssen. Dies fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.
Die EU reguliert jedoch Lärmemissionen an der Quelle, beispielsweise durch Gesetze, die festlegen, wie viel Lärm Fahrzeuge erzeugen dürfen.
Diese Schwellenwerte für Lärm beziehen sich auf Belastungsniveaus von 55 Dezibel (dB) oder mehr während des gesamten Tages-Abend-Nacht-Zeitraums (Lden) und 50 dB in der Nacht (Lnight). 55 dB entsprechen moderaten Geräuschen, wie sie etwa auf einer Straße, in einem Wohngebiet oder bei einem normalen Gespräch auftreten.
Wie Lärm uns schadet
Auch wenn 55 dB nicht sehr laut erscheinen mögen, warnt die WHO, dass chronische Belastung durch Umgebungslärm sowohl physische als auch psychische Auswirkungen auf die Gesundheit hat. „Das Leben in einem von Verkehrslärm betroffenen Gebiet ist mit einem erhöhten Risiko verbunden, eine Vielzahl von Gesundheitsproblemen zu entwickeln. Dazu gehören Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel- und psychische Erkrankungen,“ erklärte die WHO bereits 2018.
Würden die strengeren Kriterien der WHO (zwischen 45, 53 und 54 Lden für Flugzeug-, Straßen- und Schienenlärm) in der EU gelten, würde die Zahl der Betroffenen – etwa 20 Prozent oder rund 106 Millionen Menschen – auf über 30 Prozent steigen.
Langfristige Belastung trägt jährlich zu 48.000 neuen Fällen von Herzkrankheiten und 12.000 vorzeitigen Todesfällen in Europa bei. Schätzungen zufolge leiden zudem über 22 Millionen Menschen unter schweren chronischen Belastungen und 6,5 Millionen unter Schlafproblemen. Umgebungslärm wird auch mit kognitiven und psychischen Störungen in Verbindung gebracht.
Dr. María Ángeles Bonmatí von der Spanischen Gesellschaft für Schlafmedizin (SES) erklärte, dass nächtlicher Lärm die Entspannung und Trennung vom Alltag verhindert, die notwendig sind, um einzuschlafen. „Er kann uns abrupt wecken oder in oberflächlichen Schlafphasen halten, was dazu führt, dass die Schlafqualität durch Veränderungen in der Schlafstruktur leidet: Wir brauchen länger, um einzuschlafen, wachen früher auf, als wir müssten, oder verbringen weniger Zeit im Tief- und REM-Schlaf,“ sagte sie.
Tagsüber anhaltender Lärm wird mit erhöhtem Blutdruck und Stress sowie einer Verschlechterung der Stimmung in Verbindung gebracht, fügte sie hinzu. „Es ist wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger die Bedeutung von Schlaf und Ruhe für ihre Nachbarn verstehen und dass Institutionen eine knappe Ressource wie Stille schützen.“
Umgebungslärm wirkt sich auch negativ auf Wildtiere im Wasser und auf Land aus. Er kann Verhaltensstörungen, Kommunikationsprobleme und eingeschränkte Fortpflanzungsfähigkeit auslösen.

Wer macht all diesen Lärm?
Verkehrslärm gilt als Hauptverursacher, und Straßenverkehr als primäre Quelle der Lärmbelastung. In einer im Dezember 2024 veröffentlichten Bewertung – basierend auf Daten aus dem Jahr 2022 – stellte die Europäische Umweltagentur (EEA) zwar einen marginalen Rückgang der Belastung in diesem Bereich fest. Gleichzeitig warnte die EEA, dass diese durch die zunehmende Urbanisierung und damit steigende Verkehrsdichte wieder steigen könnte.
Ein Rückgang des Fluglärms – vermutlich eine Folge der Covid-19-Pandemie – war jedoch nur von kurzer Dauer: Wie die Luftfahrt-Sicherheitsbehörde Eurocontrol Anfang dieses Sommers mitteilte, sind mit 37.000 Flügen an Spitzentagen die Verkehrsvolumina – und damit auch die Lärmpegel – wieder auf dem gleichen Niveau wie vor der Pandemie.
In Frankreich kündigte die Regierung vergangene Woche striktere Bedingungen für Nachtflüge am Flughafen Paris-Orly an, um die Lärmbelastung zu reduzieren – allerdings ohne die Anzahl der Flüge zu verringern, wie es von Umweltschutz- und Anwohnergruppen gefordert wurde.
Zu den neuen Maßnahmen gehört eine Sperre ab 22 Uhr für die lautesten Flugzeuge: „Nur die leisesten Flugzeuge dürfen nach 22 Uhr starten und landen,“ ließ das Verkehrsministerium in einer Mitteilung verlauten. Um den Schlaf der Anwohnenden zu schützen, gilt für den zweitgrößten Flughafen Frankreichs außerdem ein striktes Nachtflugverbot zwischen 23:30 Uhr und 6:00 Uhr.
Nach anhaltenden Protesten gegen den Lärm kündigte die Regierung außerdem Pläne an, den Einsatz von Schallschutzmaßnahmen rund um große Flughäfen in ganz Frankreich zu erhöhen.
Psssst!
Die Bemühungen zur Reduzierung der Lärmbelastung in Europa sind uneinheitlich und oft Regionen oder sogar den lokalen Gemeinden überlassen.
Daten des italienischen Umweltforschungsinstituts ISPRA zeigen, dass ein großer Teil der Bevölkerung Lärmpegeln ausgesetzt ist, die die von der WHO empfohlenen Grenzwerte sowohl tagsüber als auch nachts überschreiten. Dennoch haben mehrere Regionen keine Gesetze zur Lärmbekämpfung erlassen, und weniger als zwei Drittel der Gemeinden haben ein nationales Instrument zur Verwaltung der Lärmbelastung angenommen.
In Spanien sind laut Daten der SES aus dem Jahr 2024 etwa 60 Prozent der Bevölkerung tagsüber Lärmpegeln ausgesetzt, die die WHO-Grenzwerte überschreiten. Der EEA zufolge verursacht Lärmbelastung dort jährlich mehr als 1.000 vorzeitige Todesfälle und 4.000 Krankenhausaufenthalte.
Ein Teil der Lärmbelastung ist auch auf die Menschen selbst zurückzuführen: In historischen Vierteln von Madrid, Barcelona und Valencia, wo viele Wohnungen keine Klimaanlage haben und das Öffnen der Fenster im Sommer unerlässlich ist, ist eine erholsame Nachtruhe nahezu unmöglich.
Rechtliche Schritte gegen den Lärm gehen inzwischen weit über Bars hinaus. In ganz Spanien sind Anti-Lärm-Vereinigungen entstanden. „Das Einzige, was uns von anderen Ländern unterscheidet, ist, dass wir lauter sind,“ schrieb der spanische Autor Ignacio Peyró kürzlich in der Tageszeitung El País.
In Deutschland forderten mehrere Bundesländer bereits 2023 die Bundesregierung auf, strengere Gesetze gegen Verkehrslärm zu erlassen. Laut Statistiken des Umweltbundesamtes (UBA) aus demselben Jahr sind allein rund um Hauptverkehrsstraßen etwa 8,5 Millionen Deutsche gesundheitsgefährdendem Lärm ausgesetzt, während 6,4 Millionen unter lautem Schienenverkehr leiden.
Die Deutsche Umwelthilfe fordert ein Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde innerhalb geschlossener Ortschaften als wirksames Mittel zur Reduzierung des Straßenlärms.
Die Lärmbelastung im EU-Beitrittskandidatenland Nordmazedonien liegt im europäischen Durchschnitt, doch im Vergleich zu vielen Urlaubszielen ist es dort ruhiger, was Tourismus und Menschenmengen betrifft. Laut Statistiken des Innenministeriums wird in der beliebtesten Touristenstadt Ohrid die höchste Anzahl an Lärmbeschwerden registriert.

Zeit, in Ohrstöpsel zu investieren?
Der Europäische Rechnungshof (ECA) nahm in einem im Januar veröffentlichten Bericht die Anti-Verschmutzungs-Politik der Kommission genauer unter die Lupe und kritisierte Lücken und Verzögerungen bei der Bewertung und Berichterstattung über Lärmbelastung durch die Mitgliedstaaten. Er bemängelte auch das Fehlen von EU-Grenzwerten oder Reduktionszielen für Lärm. „Wir sind der Ansicht, dass das Fehlen von EU-Lärmminderungszielen die Mitgliedstaaten davon abhält, Maßnahmen zur wirksamen Reduzierung der Lärmbelastung zu priorisieren,“ schrieben die Prüfenden.
Für Verwaltungen in Städten sei es schwer, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, da es an Koordination zwischen den Behörden mangele, Zweifel an der Wirksamkeit der Maßnahmen bestünden und Widerstand von Anwohnenden zu spüren sei, fügte der ECA hinzu.
Er empfahl, EU-weite Ziele in die Richtlinie über Umgebungslärm (END) aufzunehmen und die Grenzwerte für Lärmbelastung bis 2029 an die von der WHO empfohlenen Werte anzugleichen.
Das Fehlen von Daten macht es schwerer, Fortschritte zu bewerten. Mit Blick auf 2030 erklärte die EEA in ihrer Bewertung von 2025, das Ziel, die Zahl der von Verkehrslärm betroffenen Menschen um 30 Prozent zu reduzieren, sei „nicht auf Kurs“. Im Vergleich zum Ausgangswert von 2017 gebe es nur eine 2-prozentige Veränderung .
Dieser Artikel wird zwei Mal pro Woche veröffentlicht. Der Inhalt basiert auf den Nachrichten der am European Newsroom beteiligten Agenturen.
