Brüssel/EU-weit – Laut dem am Montag veröffentlichten Index 2024 des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) ist die EU langsam auf dem Weg zu einer „Union der Gleichstellung“ unterwegs. Vor dem Hintergrund politischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten warnt die Agentur allerdings davor, sich auf bisher erreichten „bescheidenen Fortschritten“ auszuruhen. Am „gleichsten“ ist Schweden, am „ungleichsten“ Rumänien. Österreich liegt etwas über dem EU-Durchschnitt.
Neben Österreich kommen Deutschland, Spanien und Luxemburg laut Index bei der Gleichstellung der Geschlechter schneller voran, und vergrößern damit ihren Abstand zu anderen EU-Staaten. Malta, Tschechien und Litauen haben 2023 zwar die größten Schritte vorwärts gemacht; sie haben aber nach wie vor Aufholbedarf. Der Index 2024 zeigt erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, wobei Schweden mit 82 Punkten den höchsten und Rumänien mit 57,5 Punkten den niedrigsten Wert an Gleichberechtigung erreicht. Österreich liegt auf Platz 11.
Der EU-Schnitt 2024 sind 71 von 100 möglichen Punkten, die vollen Gleichstand bedeuten würden. Dies ist eine leichte Verbesserung um 0,8 Punkte gegenüber dem Vorjahr und um insgesamt 7,9 Punkte seit 2010. Zum Vergleichen wurden Daten aus sechs Bereichen des täglichen Lebens genutzt: Arbeit, Geld, Wissen, Zeit, Macht und Gesundheit.
„Gleichstellung Grundlage für stärkeres Europa“
„Die Gleichstellung der Geschlechter ist die Grundlage für ein stärkeres Europa“, sagte EIGE-Direktorin Carlien Scheele in der Pressekonferenz am Montag. Die Politiker und Entscheidungsträger in der EU müssten sich entweder voll für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzen oder strukturelle Ungleichheiten akzeptieren. „Der Weg zur Gleichstellung der Geschlechter war noch nie so fragil wie heute. Wir müssen besser werden und das Tempo erhöhen.“
Frauen haben in den letzten Jahren laut Index zwar deutlich an „Macht“ gewonnen (+19,5 Punkte seit 2010 und +2,3 seit 2023). Insgesamt liegt hier der Wert aber noch bei mageren 61,4 von möglichen 100 Punkten. Der Anteil der weiblichen Mitglieder des Europäischen Parlaments ist heuer zum ersten Mal seit 1979 sogar gesunken. Seit den EU-Wahlen sitzen 278 Frauen (39 Prozent) und 441 Männer (61 Prozent) im Plenarsaal. Österreich zählt nun zu den 15 EU-Ländern mit weniger weiblichen EU-Abgeordneten.
Trotzdem haben die Österreicherinnen im EU-Vergleich am meisten an Macht zugelegt: Seit 2010 ist Österreichs Wert in diesem Bereich um 28,7 Punkte gestiegen, seit 2021 um 1,7 Punkte. Die größte Verbesserung fand im Teilbereich des sozialen Einflusses statt. Aber auch in der Wirtschaft konnten Österreichs Frauen seit 2010 deutlich Macht dazugewinnen, und zwar um 23,7 Punkte.
Stillstand in der Arbeitswelt
Stillstand ortet der Index in der europäischen Arbeitswelt: Besonders bei Paaren mit Kindern sei der „Gender gap“ sehr groß. In Österreich ist er generell einer der größten Europas: Zwischen 2010 und 2022 ist die Vollzeit-Beschäftigungsquote bei den Frauen zwar leicht gestiegen (von 42 auf 43 Prozent) und bei den Männern gesunken (von 62 auf 61 Prozent). Dieser Unterschied hat sich seit 2010 um 2 Prozentpunkte verringert, bleibt aber mit 18 Prozentpunkten einer der größten der EU. Im Bereich Gesundheit schneidet Österreich von allen sechs untersuchten Bereichen am besten ab, und liegt mit 91 Punkten auf Platz 5 der Rangliste.
Im Bereich Geld wachsen EU-weit die geschlechtsspezifischen Unterschiede besonders bei den über 50-Jährigen, was die lebenslange Belastung der Frauen durch unbezahlte Betreuungsaufgaben widerspiegele. Österreich liegt hier auf Platz 6, nach Platz 4 vor zwei Jahren. Die nach wie vor hohe Betreuungslast der Frauen gebe ihnen auch weniger Zeit für Selbstfürsorge, Sport, Kultur und Freizeit. Hier schließt sich die Geschlechterlücke in Europa nur sehr langsam; seit 2010 gab es nur ein Plus von 3,3 Punkten.
EU-Parlament veranstaltet Gleichstellungswoche
Das Europäische Parlament organisiert im Rahmen der fünften Europäischen Gleichstellungswoche zwischen 9. und 15. Dezember zahlreiche Veranstaltungen. Das Motto ist heuer „Frauen in der digitalen Welt: Sicherheit und Empowerment“. Ziel ist laut Parlament, das wachsende Problem der Online-Belästigung und Cybergewalt zu beleuchten und nach Lösungen zu suchen. Jedes Jahr veranstaltet das Europäische Parlament die Gleichstellungswoche, um Fortschritte zu bewerten, Erfolge hervorzuheben und neue Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter zu ermitteln. (10.12.2024)
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