Straßburg/Brüssel (enr) – Der Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, zufolge diskutiert das Parlament darüber, ob die Handlungen Israels im Gazastreifen in einer geplanten Resolution als Völkermord verurteilt werden sollen.
„Das ist etwas, das derzeit in der Resolution verhandelt wird,“ antwortete sie auf eine Frage zu dem Thema in einem Interview mit dem European Newsroom (enr) am Dienstag in Straßburg.
Am Donnerstag stimmt das Parlament über diese Resolution ab, die zu Maßnahmen der EU gegen die Hungersnot im Gazastreifen aufruft.
„Es gibt einige Kolleginnen und Kollegen – und das spiegelt auch die Mitgliedstaaten wider –, die sagen, dass dies ein juristischer Begriff ist, der verwendet wird, und andere, die das Gegenteil behaupten,“ sagte Metsola. „Wir werden sehen, was das Ergebnis der Verhandlungen über die Resolution und die Abstimmung am Donnerstag sein wird,“ fügte sie hinzu.
- Die Konvention der Vereinten Nationen zur Verhütung und Bestrafung des Völkermordes definiert Völkermord als die gezielte Vernichtung von Bevölkerungsgruppen, die sich in Sprache, Religion oder Tradition von anderen unterscheiden, mit dem Ziel, sie ganz oder teilweise zu zerstören.
- Neben Tötungen umfasst dies auch Handlungen, die schwere körperliche oder seelische Schäden verursachen, sowie die Auferlegung von Lebensbedingungen, die zur physischen Zerstörung der Gruppe führen könnten.
- Die Konvention stuft auch die gezielte Verhinderung von Geburten oder die Entführung von Kindern als Genozid ein.
Bei den Angriffen der islamistischen Terrorgruppe Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, wurden etwa 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 Geiseln entführt.
Israel antwortete auf die Angriffe der Hamas mit einer militärischen Kampagne im Gazastreifen. Seitdem wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen mehr als 64.500 Palästinenserinnen und Palästinenser in dem dicht besiedelten Küstengebiet getötet.
Israel weist den Vorwurf zurück, dass seine Kampagne einem Völkermord gleichkomme.
Äußerungen von EU-Kommissarin lösen interne Kontroverse aus
In der vergangenen Woche bezeichnete EU-Kommissarin Teresa Ribera die militärischen Aktionen Israels im Gazastreifen als „Völkermord“ und sagte dies entlarve „Europas Versagen”, gemeinschaftlich zu handeln und mit einer Stimme zu sprechen.
„Der Völkermord in Gaza zeigt Europas Versagen, zu handeln und mit einer Stimme zu sprechen, selbst wenn es Proteste in europäischen Städten gibt und 14 Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen einen sofortigen Waffenstillstand fordern,“ sagte Ribera.
Die Äußerung sorgte für Kontroversen in Brüssel.
Die Europäische Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen distanzierte sich umgehend von Riberas Verwendung des Begriffs und betonte, dass die Kommissarin nicht im Namen des Exekutivorgans der EU gesprochen habe.
Die Kommission habe keine Position zur Frage, ob es sich um Genozid handele, da es Sache der Gerichte sei, darüber zu entscheiden, so eine Sprecherin.
Menschen in der EU fordern Taten
Metsola betonte, dass die sich verschärfende Lage im Gazastreifen „ein dominierendes Anliegen unserer Bürgerinnen und Bürger“ sowie der sie vertretenden Mitglieder des Europäischen Parlaments sei. Und die Menschen in Europa “wollen Antworten“ – sowohl von der Kommission als auch von den Regierungen der Mitgliedstaaten, betonte Metsola.
„Es ist ganz klar, dass wir der größte Geber humanitärer Hilfe sind, und es ist allen klar, dass diese Hilfe nicht ankommt. Dass Geiseln nicht freigelassen wurden und dass wir Hunger, Hungersnot und Tötungen in einem beispiellosen Ausmaß erleben,“ sagte sie gegenüber dem enr.
„Die Situation kann so nicht weitergehen, das ist nicht möglich,“ betonte Metsola. Menschlichkeit müsse immer „oberste Priorität haben“, sagte sie und fügte hinzu: „Wir neigen dazu, das zu vergessen, und wir neigen dazu, das, was wir sagen, zu isolieren.“
Metsola erwartet, dass die Lage im Gazastreifen die Debatte zur Lage der Union am Mittwoch dominieren wird, nachdem die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, ihre Rede vor den Abgeordneten gehalten hat. „Es gibt große Erwartungen an das, was gesagt werden wird,“ betonte sie.
Dieser Artikel ist eine Key Story des enr. Der Inhalt basiert auf der Berichterstattung der teilnehmenden Nachrichtenagenturen.
