Alpbach/EU-weit/Brüssel – Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Mittwoch bei der Eröffnung der „Austria in Europe Days“ des Europäischen Forum Alpbach mit einer Ode an Europa und einer Warnung vor „Populisten“ aufgewartet. Er bezeichnete Europa als „konstruktive und wohlwollende Weltmacht“, die „alles verteidigen“ müsse, „was unsere Position schwächen könnte.“ Dezidiert sprach sich Van der Bellen für einen Beitritt Österreichs zum europäischen Luftverteidigungssystem Sky Shield aus.
Man müsse in Europa „in gemeinsame Projekte investieren, die uns widerstandsfähiger machen“: „Deshalb halte ich Sky Shield für eine gute Idee.“ Die EU müsse nun auch überlegen, wie sie sich „Angriffen eines mächtigen ausländischen Aggressors entgegenstellen“ könne, meinte er offenbar in Anspielung auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Auch in diesem Zusammenhang begründete er sein Wohlwollen gegenüber Österreichs Beitritt zu Sky Shield. Europa müsse „in der Welt ernst genommen“ werden.
Der Bundespräsident machte Europa eine regelrechte Liebeserklärung und meinte, dass dieses ein „Vorbild“ sein könne, das beweise: „Es gibt einen Weg in die Zukunft.“ Und dies „in einer Zeit des grassierenden Nihilismus und Fatalismus“. Van der Bellen sah Europas Zukunft nicht im „Weg der Extreme. Es ist nicht der Weg des rücksichtslosen ausbeuterischen Kapitalismus“ und auch nicht jener „des blinden Nationalismus, der nur nach hinten schaut.“ Stattdessen wünschte sich das Staatsoberhaupt die Zukunft des Kontinents etwa als „gebildet, zuversichtlich, mitfühlend, inklusiv und feministisch“ und warnte vor dem „starken Mann.“
Einmal mehr verurteilte er den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, auch ein „Dexit oder Öxit“ seien „nicht nur schlechte Ideen, sondern auch schädlich und gefährlich.“ Dies sei nur die „Agenda der Populisten“, welche die „europäische Gemeinschaft schwächen“ wollen. Daher gelte es, zusammenzuarbeiten.
Van der Bellen hatte die „Austria in Europe Days“ im Beisein der slowenischen Präsidentin Pirc Musar eröffnet. Er verwies auf das Hochwasser in Slowenien, wobei der „Klima-Notstand“ sichtbar geworden war. Die Katastrophe habe durch „europäische Solidarität bewältigt werden“ können, meinte er. Europäerinnen und Europäer hätten geholfen „mit ihren Händen, und hoffentlich eher früher als später, mit Geld.“
Pirc Musar appellierte ebenfalls an den europäischen Zusammenhalt hinsichtlich des Klimawandels. „Wir brauchen die Europäische Union, um den Weg zu zeigen. Wir müssen unsere Antwort auf den Klimawandel intensivieren – das ist weder einfach noch billig.“ Extrem rechte Parteien würden einfache Antworten auf komplexe Probleme liefern – „wir brauchen ein stärkeres Europa und mehr Vertrauen“, stieß Van der Bellens Amtskollegin ins selbe Horn.
Hinsichtlich einer möglichen EU-Erweiterung auf den Westbalkan sprachen sich sowohl Van der Bellen als auch Pirc Musar für eine Aufnahme der Staaten aus. Allerdings müssten sich diese Staaten zuerst selbst fragen, ob sie einen EU-Betritt wirklich wollten, hielt die slowenische Präsidentin fest. Sie wünschte sich mehr Anstrengung der Westbalkanstaaten für einen EU-Beitritt. „Manchmal habe ich den Eindruck, dass sie nicht wollen, sie strengen sich zu wenig an“, meinte sie. Van der Bellen räumte ein, dass die Aufnahmebedingungen heute strenger wären als zur Zeit des österreichischen EU-Betritts. Doch sei eine EU-Erweiterung der Westbalkanstaaten wichtig, um ein „Machtvakuum“ zu vermeiden.
Das Forum Alpbach war bereits am 19. August eröffnet worden, am 20. August folgte der traditionelle „Tirol Tag“ mit Vertretern von Bundes- und Landesregierung sowie der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino. Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) war auch am Mittwoch im „Dorf der Denker“ anwesend. Zudem waren auch Vertreter der Bundesregierung – wie Justizministerin Alma Zadic (Grüne), Europaministerin Karoline Edtstadler, Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig oder Staatssekretär Florian Tursky (alle ÖVP) – in Alpbach zugegen. Das Europäische Forum Alpbach dauert noch bis zum 2. September. Als Motto wurde „Bold Europe“ ausgerufen. (30.08.3023)
Edtstadler: EU muss Einfluss in Nachbarregionen geltend machen
Alpbach – Die EU muss nach Ansicht von Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ihren Einfluss in den Nachbarregionen geltend machen und den betreffenden Ländern auf dem Westbalkan und darüber hinaus helfen, Reformen durchzuführen, „um den europäischen Werten voll entsprechen zu können“. Der Prozess einer „graduellen Integration“ könnte dabei laut Edtstadler eine frühere Beteiligung an Gesprächen in der EU ermöglichen und Anreize bieten, wie sie am Mittwoch zur APA sagte.
Innerhalb der Europäischen Union seien „Mut und Weitblick“ gefragt, um den EU-Integrationsprozess „nicht mehr nur so streng formalistisch“ zu sehen, „dass man einen Cluster nach dem anderen abarbeitet und erst ganz am Schluss die Vollmitgliedschaft steht und das Mitreden“. Vielmehr könnte man den beitrittswilligen Ländern „sozusagen eine Belohnung der Reformen“ zuteil werden lassen, indem sie nach Abschluss eines Clusters in einem bestimmten Bereich auch mitreden könnten – „nicht mitstimmen, denn solange sie nicht Vollmitglied sind, wird das nicht gehen“.
Die Staats- und Regierungschefs könnten beispielsweise von Zeit zu Zeit die Erweiterungskollegen „an den Tisch einladen“, damit diese auch „die Diskussion, den Inhalt, das Vorangehen Europas in verschiedenen Bereichen“ in ihren Regionen weitergeben könnten. Denkbar sei aus ihrer Sicht auch, bestimmte Förderprogramme etwa in Bildung und Wissenschaft schon früher zugänglich zu machen oder Erasmus auch für Länder zu öffnen, die noch nicht Vollmitglied sind.
Edtstadler sprach am Rande des Europäischen Forums Alpbach von einer aktuell „extrem herausfordernden Zeit“, in der viele krisenhafte Entwicklungen zusammenkämen – Krieg auf europäischem Boden, aber auch Teuerung, Inflation und Arbeitskräftemangel. „Und da ist es glaube ich wichtig, dass Europa endlich zu seiner eigenen Stärke kommt, dass Europa ein globaler Player in der Welt wird, und eine der ersten Voraussetzungen ist, dass wir unseren Einfluss in den Nachbarregionen geltend machen.“ Auf dem Westbalkan sei etwa seit Jahren feststellbar, dass sich die Bevölkerung teilweise abwende, weil sie nicht mehr glaube, dass es zu einer Vollmitgliedschaft in der EU kommen werde.
„Es gibt keine Abkürzungen in die EU, die Reformen müssen die Staaten machen, das Tempo bestimmen sie. Aber wir können es beeinflussen, indem wir Unterstützung geben und auch das Vertrauen geben, dass wir unsere Versprechen halten“, betonte Edtstadler.
Die Europäische Union müsse freilich auch selbst ihre Hausaufgaben machen, wenn sie den Erweiterungsprozess bewältigen wolle, „sprich, wir müssen uns überlegen, wie stellt man die Institutionen zukünftig auf, wenn wir 30 oder 35 Mitgliedstaaten haben, wie finanziert man ein Budget. Man muss sich überlegen, wie man das System abändert.“ Dafür brauche es auch den Mut, sich von „eingefahrenen Denkmustern“ und vom „Was bekomme ich“-Denken zu verabschieden und „größer zu denken“.
Dies sei herausfordernd, doch die EU müsse sich auch ausmalen, was passieren würde, wenn das nicht geschehe. „Gibt es Regionen in der Welt, die ein Interesse daran haben, ein schwaches Europa zu sehen? Ich glaube ja.“ (30.08.2023)
EU-Außenbeauftragter: Lage in Afrika „großes Problem für Europa“
Toledo – Die europäischen Verteidigungsminister haben sich am Mittwoch auf einem Treffen im spanischen Toledo besorgt über die Welle von Militärputschen in Zentral- und Westafrika geäußert. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nannte den am Mittwochmorgen bekanntgeworden Militärputsch in Gabun einen „weiteren Militärputsch, der die Instabilität in der gesamten Region erhöhen wird“. „Das ist ein großes Problem für Europa“, fügte er hinzu.
Auch Österreichs Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) warnte in Toledo im Gespräch mit der APA davor, ein Sicherheitsvakuum in diesen unsicheren und instabilen Regionen entstehen zu lassen. „Was auf dem afrikanischen Kontinent passiert, hat am Ende des Tages auch Auswirkungen auf Europa und Österreich. Denn wo werden die Menschen aus diesen Regionen hingehen, wenn es dort einen Putsch nach dem anderen gibt und sich die Lebensbedingungen verschlechtern?“, stellte Tanner klar.
Die politische Instabilität in den Staaten West- und Zentralafrikas könnte die Migrationsströme Richtung Europa vergrößern, aber auch die Gefahr terroristischer Anschläge erhöhen. Aus diesem Grunde forderte Tanner von der EU nicht nur eine mehr Glaubwürdigkeit generierende Einigkeit, sondern auch mittel- und längerfristige Strategien, die den gesamten afrikanischen Kontinent im Auge haben.
„Natürlich sind alle Augen derzeit verständlicherweise auf die Ukraine gerichtet. Wir dürfen aber nicht die Augen davor verschließen, was sich im Rest der Welt tut“, erklärte Tanner am Rande des EU-Treffens. Es gebe so viele Krisenherde, für die Europa auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen müsse. So sprach sich die Verteidigungsministerin auch für eine Ausgliederung der ukrainischen Militärhilfe aus dem Fonds der EU-Friedensfazilität aus, um vor allem für die afrikanischen EU-Missionen ausreichende Mittel zu haben, sowie für die Weiterentwicklung der schnellen europäischen Eingreiftruppe.
Unterdessen war der russische Angriffskrieg auf die Ukraine das eigentliche Schwerpunktthema auf dem EU-Verteidigungsministertreffen in Toledo, wohin die spanische EU-Ratspräsidentschaft eingeladen hatte. Der Chef der europäischen Diplomatie, Josep Borrell, schlug den EU-Verteidigungsministern eine Aufstockung der Militärhilfen vor, was der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow begrüßte, der per Video dem Treffen in Toledo zugeschaltet war.
Borrell schlug den EU-Verteidigungsministern zudem vor, die Zahl in der EU auszubildender ukrainischer Soldaten beziehungsweise Offiziere bis Jahresende auf 40.000 zu erhöhen. Dabei will er auch die Möglichkeit ausloten, ukrainische Piloten für die F16-Kampfflugzeuge im Krieg gegen Russland auszubilden, die Dänemark und die Niederlande Kiew versprochen haben.
Am Donnerstag werden die Lage in der Ukraine und die jüngsten Militärputsche in Niger und Gabun auch Thema des Treffens der EU-Außenminister in Toledo sein, an dem auch Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) teilnehmen wird. (30.08.2023)
Ein Attraktivitätsproblem sieht die Ministerin aufseiten der EU jedenfalls nicht: „Die Europäische Union muss sich nicht mehr aufschmücken, die Braut ist schön. Denn die Werte, der Frieden, die Sicherheit, das ist gegeben, und wir haben eine konträre Situation wie zum Beispiel im Jahr 2016 mit dem Brexit, dem Referendum in Großbritannien und dem Ausstieg“, unterstrich sie. „Was wir aber tun müssen, ist unsere Versprechen halten und auch klar strukturiert nach dem Durchführen von Reformen in den Regionen Incentives geben, um die Bevölkerung, die Menschen, an Bord zu halten.“ (30.08.2023)
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