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Viele Jahrzehnte war Energie aus Russland in ganz Europa allgegenwärtig: Mit ihrer Hilfe wurden slowakische Wohnungen beheizt und die deutsche Industrie angekurbelt. Stimmen, die davor warnten, dass diese Abhängigkeit von Öl, Gas und Kohle eines einzigen Anbieters riskant sein könnte, blieben in der Minderheit.

Einen ersten Dämpfer für diese Energie-Honeymoon-Zeit gab es bei der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014. Das volle Gefahrenpotenzial dieser Situation wurde den meisten Europäern jedoch erst mit der Invasion der Ukraine 2022 bewusst. Seitdem versucht die Europäische Union, sich von ihrer Abhängigkeit von russischen fossilen Brennstoffen zu lösen. Dabei muss sie auch interne Widerstände einiger Mitgliedstaaten gegen diese Politik überwinden.

Nach Russlands Einmarsch in die Ukraine verhängte die Union Sanktionen gegen Russland und ergriff Maßnahmen, um Kohle- und Ölimporte zu reduzieren. Nun rückt das Thema Gas stärker in den Fokus. Da weltweit mehr Flüssigerdgas (LNG) verfügbar wird, plant die EU, Erdgas aus Russland durch LNG zu ersetzen – möglichst aus anderen Quellen als dem Kreml.

Anfang dieser Woche stellte die EU-Kommission ihre REPowerEU-Roadmap vor. Sie sieht einen „koordinierten und schrittweisen Ausstieg aus russischen Energieimporten“ bis 2027 vor.

„Mit REPowerEU haben wir unsere Energieversorgung diversifiziert und Europas frühere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland drastisch reduziert. Es ist nun an der Zeit, dass Europa seine Energiebeziehungen zu einem unzuverlässigen Lieferanten vollständig abbricht.“

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen

Ein weiteres Ziel des Plans ist, die Wende der EU in Richtung erneuerbare Energien zu stärken. „Wir tun dies, um unsere Sicherheit zu bewahren. Aber es ist auch ein wichtiger Schritt, um energieunabhängig zu werden. Wir produzieren unsere eigene saubere und erschwingliche Energie, anstatt teure fossile Brennstoffe zu importieren,“ sagte Energiekommissar Dan Jørgensen.

Doch diese Ziele zu erreichen, könnte leichter gesagt als getan sein.

EU-Kommissar Dan Jørgensen im Gespräch mit dem European Newsroom enr. Foto: Mirko Paradiso/European Newsroom

Importe aus Moskau kommen mit einem hohen Preis

Laut der Kommission sank der Anteil Russlands an den Gasimporten der EU von 45 Prozent im Jahr 2021 auf 19 Prozent im Jahr 2024. Die Pipeline-Gasimporte gingen stark zurück, aber mehrere EU-Länder erhöhten ihre LNG-Käufe.

LNG wird per Schiff transportiert, in Häfen entladen, regasifiziert und dann ins europäische Netz eingespeist.

Es besteht ein vollständiges Importverbot für Kohle. Die Ölimporte aus Russland machen 3 Prozent des Gesamtvolumens aus, verglichen mit 27 Prozent Anfang 2022.

Doch laut Schätzungen der Datenberatungsfirma Kpler machte russisches Gas von Januar bis April 2025 noch 9 Prozent des EU-Verbrauchs aus. Russland bleibt damit einer der drei größten Gaslieferanten in der EU neben Norwegen und Algerien.

Der weltweit arbeitende Energie-Thinktank Ember erklärte, dass die Gasimporte im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent gestiegen seien, hauptsächlich aufgrund erhöhter Importe nach Tschechien, Italien und Frankreich.

Nach Ansicht des tschechischen Analysten Jiří Tyleček unterstreicht der Anstieg der russischen Gasimporte die anhaltenden Probleme in der europäischen Energiesicherheit. „Die Wirtschaft ist sehr pragmatisch, und die Importeure kümmern sich nicht allzu sehr darum, ob der Bezug von russischem Gas politisch problematisch ist. Wirtschaftlich handeln sie rational, und solange es keine rechtlichen Hindernisse wie ein Embargo gibt, konzentrieren sie sich darauf, günstigeres russisches Gas zu importieren. Dieses Vorgehen wird durch die wachsende Nachfrage in Europa unterstützt“, sagte Tyleček.

Der Fahrplan in die Zukunft

Die Kommission will nun alle russischen Gasimporte bis Ende 2027 beenden. Zu diesem Zweck will  sie im nächsten Monat Gesetzesvorschläge vorlegen. Öl und nuklearer Brennstoff stehen ebenfalls im Fokus. Russland ist ein bedeutender Lieferant von Uran. Zudem betreiben einige EU-Mitgliedstaaten Reaktoren russischer Bauart. 

„Wir wollen nicht von [Russlands Präsident Wladimir] Putin kontrolliert werden,“ sagte Jørgensen bei der Vorstellung der Maßnahmen.

„Wir wissen, dass er Energie als Waffe einsetzen wird, wenn er glaubt, dass es in seinem Interesse liegt.“

Energiekommissar Dan Jørgensen

Der Kommissar stellte fest, dass der Block seit 2022 mehr Geld für fossile Brennstoffe aus Russland ausgegeben habe als für Hilfe an die Ukraine.

Die Gesetzesvorschläge müssen sowohl vom EU-Parlament als auch von den Mitgliedsstaaten bestätigt werden. Die Kommission benötigt für die Importverbote nicht die Zustimmung aller 27 Mitgliedstaaten  – es reicht eine qualifizierte Mehrheit von 15 Ländern.

Ungarn und die Slowakei, die enge Beziehungen zu Moskau pflegen, haben die Pläne bereits kritisiert. „Ich weigere mich, wirtschaftlichen Selbstmord zu begehen; es ist einfach wirtschaftlicher Selbstmord, die Idee zu verfolgen, dass weder Gas, noch Kernenergie, noch Öl fortgeführt werden sollen, nur weil ein neuer eiserner Vorhang zwischen der westlichen Welt und möglicherweise der Russischen Föderation sowie anderen Ländern errichtet wird“, sagte der slowakische Ministerpräsident Robert Fico. Er betonte aber zugleich, dass er das Ziel einer Reduzierung der Energieabhängigkeit anerkenne.

Jørgensen erklärte, die Kommission sei bereit, ohne Einstimmigkeit voranzugehen. Doch selbst wenn der Widerstand aus Ungarn oder der Slowakei nahezu sicher ist, könnte auch aus anderen Ecken Gegenwind kommen, weil einige Mitgliedstaaten weiterhin auf russische Energie angewiesen seien.

Von Ost nach West und über den Atlantik

Länder wie die Slowakei oder Ungarn bleiben stark abhängig von russischen fossilen Brennstoffen – beispielsweise importiert die Slowakei 80 Prozent ihres Öls aus Moskau. Sie sind von den Sanktionspaketen für Öl ausgenommen. Ende 2024 bezog auch Österreich etwa 80 Prozent seines Gases aus Russland. Die Lieferungen endeten erst, als der Transitvertrag zwischen Moskau und Kiew mit Jahresende auslief.

Die Kommission wird auch mit der zunehmenden Abhängigkeit einiger Länder von russischen LNG-Importen umgehen müssen: Laut der Internationalen Energieagentur (IEA)  entfielen 85 Prozent der gesamten russischen LNG-Importe auf drei Länder – Belgien, Frankreich und Spanien –, wobei ein Teil davon in andere europäische Länder re-exportiert wurde.

Für die wirtschaftlichen Schwergewichte des Blocks, Frankreich und Deutschland, hat die Abkehr von russischer Energie eine besonders große Bedeutung.

Vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine importierte Deutschland 55 Prozent seines Gases aus Russland. Seitdem arbeitet das Land an der Diversifizierung seiner Energie-Importe und dem Bau von LNG-Terminals. Nach der Abschaltung der Nord Stream 1-Pipeline 2022 durch Russland bezieht Deutschland sein Erdgas aus Norwegen, Belgien und den Niederlanden. Deutschland erhält LNG von anderen EU-Mitgliedern, die wiederum einen Teil davon aus Russland importieren.

Blick auf Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 und der Übernahmestation der Ferngasleitung OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung). Foto: Stefan Sauer/dpa

Frankreich könnte mit seinen fünf LNG-Terminals für Lieferungen nach Europa besonders stark von einer Abkehr von russischem LNG betroffen sein. Zwischen 2023 und 2024 erhöhte Frankreich seine russischen LNG-Importe um 81 Prozent und bescherte Russland Einnahmen in Höhe von 2,68 Milliarden Euro, dem Institut für Energieökonomie und Finanzanalyse IEEFA zufolge.

In Spanien war Russland im März der drittgrößte Lieferant von Erdgas, mit einem Anteil von 13,2 Prozent im ersten Quartal des Jahres, hinter Algerien und den Vereinigten Staaten, die beide in diesem Zeitraum etwa 32 Prozent lieferten.

Die spanische Regierung erklärte, diese LNG-Importe stammten aus „privaten Verträgen“, in die sie nicht eingreifen könne, betonte jedoch, dass sie die Importe aus anderen Quellen erhöhen wolle. Ministerpräsident Pedro Sánchez erklärte im Februar in Kyjiw, dass sowohl die Regierung als auch die spanische Gesellschaft den „politischen Willen“ hätten, Lieferanten außerhalb Russlands zu finden.

Tschechiens Situation verdeutlicht das Dilemma. Obwohl das Land dank der Fertigstellung der TAL-Pipeline seit April erstmals unabhängig von russischem Öl ist, importiert es weiterhin russisches Gas, wenn auch indirekt.

2023 erklärte Tschechien, dass es vollständig unabhängig von russischem Erdgas sei, und reduzierte seine Importe fast auf null. Dennoch bezieht es nun zumindest einen Teil des russischen Brennstoffs über die Slowakei, wie Netzdaten zeigen.

Diese Lieferungen verdeutlichen die Herausforderungen, mit denen einige Länder konfrontiert sind, wenn sie ihre Abhängigkeit von russischem Brennstoff verringern wollen, auch wenn sie sich gegen den Krieg des Kremls in der Ukraine aussprechen. Die Slowakei und Österreich bezogen große Mengen russischen Gases, während Tschechien und Italien es indirekt von ihren Nachbarn erhalten.

Bulgarien prüft derzeit eine Reihe von Optionen, um seine Energieversorgung zu diversifizieren – von der Öl- und Gasförderung im Schwarzen Meer über die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern Griechenland und der Türkei bei Gasverbindungsleitungen, LNG-Terminals oder Gasübertragungsprojekten bis hin zur Erhöhung seines Anteils an der Erzeugung erneuerbarer Energien.

Das Beitrittskandidatenland Nordmazedonien importiert Erdgas aus Russland über einen einzigen Zugangspunkt an der Grenze zu Bulgarien. Im Rahmen von Diversifizierungsplänen wurde kürzlich ein Vertrag über den Bau einer Gasverbindung mit Griechenland unterzeichnet, der die Integration des Landes in den europäischen Energiemarkt fördern soll.

Ein Land, das sich vollständig von russischem Gas gelöst hat, ist Kroatien. 2021 wurde ein  schwimmender LNG-Terminals auf der Insel Krk fertiggestellt. Dieser Schritt diversifizierte die Gasversorgung und machte das Land unabhängig von Importen aus Russland. Heute importiert Kroatien verflüssigtes Gas hauptsächlich aus den Vereinigten Staaten, gefolgt von Nigeria, Katar und Ägypten. Das Terminal deckt nicht nur den kroatischen Gasbedarf, sondern kann auch seine Nachbarn versorgen.

Mit Plänen zur Erweiterung des Hubs und zur Modernisierung von Gaspipelines möchte sich Kroatien zu einem regionalen Energie-Umschlagplatz entwickeln.

Für weitere LNG-Lieferungen aus den USA offen zu sein, könnte Brüssel auch dabei helfen, Handelskonflikte mit US-Präsident Donald Trump zu entschärfen. Mit einem Anteil von 45 Prozent im Jahr 2024 sind die Vereinigten Staaten bereits der größte LNG-Lieferant der EU, gefolgt von Russland (20 Prozent). Trump brachte im April die Zahl von 350 Milliarden Dollar (309 Milliarden Euro) an zusätzlichen Energiekäufen durch die EU ins Spiel.

Die Kommission erklärte, sie wolle sich auf Lieferanten von den USA über Norwegen, Katar bis hin zu nordafrikanischen Ländern stützen. Gleichzeitig muss sie jedoch die Verbraucher im Blick behalten. Steigende Energiepreise bleiben ein politisch sensibles Thema, und die Kommission muss Befürchtungen über stark steigende Gaspreise wie im Jahr 2022 abwenden, wenn sie die in der Roadmap skizzierten Pläne umsetzen will.

Dieser Artikel wird zwei Mal pro Woche veröffentlicht. Der Inhalt basiert auf den Nachrichten der am European Newsroom beteiligten Agenturen.