Hassrede, Hassverbrechen und Anstiftung dazu bleiben in Irland häufig noch straffrei. Ein neu formuliertes Gesetz soll das ändern. Vermeintliche Demokratiehüter sehen darin einen Angriff auf die Redefreiheit und eine ernsthafte Gefahr für Medien, die sie nicht zum sogenannten Mainstream zählen. Manche behaupten sogar, das bloße Lesen bestimmter Beiträge werde verboten. Im Gesetzestext, der noch beschlossen werden muss, findet sich dafür allerdings kein Beleg.

Bewertung

Schon seit 1989 gibt es in Irland ein Gesetz, demzufolge Hassrede strafbar ist. Der aktuelle Entwurf ist konkreter formuliert, das Teilen von Inhalten bestimmter Medien wird aber auch künftig nicht pauschal unter Strafe gestellt.

Fakten

Täglich werden weltweit Beschlüsse gefasst und Gesetze verabschiedet. Selten erregt das die Gemüter so wie die «Criminal Justice (Incitement to Violence or Hatred and Hate Offences) Bill», die demnächst in Irland verabschiedet werden soll. Selbst Twitter-Chef Elon Musk äußerte sich dazu und nannte die geplanten Änderungen «sehr beunruhigend». Einen Schritt weiter ging der Sohn des ehemaligen US-Präsidenten, Donald Trump Jr., der das irische Vorhaben als «verrückt» bezeichnete.

Meinungsfreiheit und Minderheitenschutz

Offenbar ist die Sorge vor einer Einschränkung der Redefreiheit groß. Darauf zielt das geplante Gesetz allerdings gar nicht ab. Interims-Justizminister Simon Harris erklärte, man wolle nicht die Gedanken der Menschen kontrollieren. Vielmehr sollten Minderheiten besser vor Hass und körperlicher Gewalt geschützt werden.

Das irische Justizministerium erklärte auf dpa-Anfrage, dass der Gesetzesentwurf laut dessen Absatz 12 die Meinungsfreiheit schützen soll. Demzufolge würde ein Schriftstück nicht alleine auf der Grundlage von Diskussionen oder Kritik an Menschen mit «geschützten Charakteristika» als Hassrede eingestuft. Als geschützte Merkmale galten bisher Hautfarbe, Ethnie, Staatsangehörigkeit, Abstammung, Religion, sowie sexuelle Merkmale und Orientierung. Neu hinzukommen sollen Behinderung und Gender-Identität.

Keine Bestimmungen zu «alternativen Medien»

Hinweise auf ein Verbot von Lesen oder Teilen von «alternativen Medien» gibt es weder im aktuellen Gesetz von 1989, noch in der neuen Vorlage. Das bestätigten sowohl das irische Justizministerium als auch die irische NGO Irish Council for Civil Liberties (ICCL) auf Anfrage. Entsprechende Falschbehauptungen, die in französischer und niederländischer Sprache kursierten, waren bereits Gegenstand von Faktenchecks.

Strafbar ist laut dem geplanten Gesetz die Verbreitung von Material, das zu Hass oder Gewalt anstiftet, egal über welche Plattform. Medien könnten theoretisch unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen. Allerdings ziele der Entwurf laut Justizministerium nicht darauf ab. Vielmehr gehe es darum, Menschen, die «absichtlich und rücksichtslos Hassrede» verbreiten, einfacher zur Verantwortung ziehen zu können.

Das bisherige Gesetz wurde oftmals als zu zahnlos kritisiert – seit seinem Inkrafttreten vor über 30 Jahren gab es lediglich rund 50 Anklagen. Das Ministerium möchte hier nachschärfen und betonte, niemand dürfe das Recht auf freie Meinungsäußerung dazu missbrauchen, zu Gewalt aufzurufen oder Hass zu schüren.

Beschuldigte können sich verteidigen

Zudem wies das Ministerium auf dpa-Anfrage darauf hin, dass Beschuldigte bereits bisher die Möglichkeit zu einer Verteidigung ihrer Beiträge hatten. Sie müssten glaubhaft machen, dass sie niemals geplant hätten, zu Hass oder Gewalt anstiftendes Material zu veröffentlichen. Das solle auch mit dem neuen Gesetzesentwurf so bleiben.

Allerdings sollen Verurteilungen künftig nicht mehr nur möglich sein, wenn eine «subjektive Motivation», eine Straftat zu begehen, nachgewiesen wurde. Mit Inkrafttreten der Novelle sollen jegliche Übergriffe als Hassverbrechen verfolgt werden können, so das irische Justizministerium.

Noch hat der aktuelle Gesetzesentwurf keine Rechtsgültigkeit. Ende April verabschiedete ihn das Dail (irisches Repräsentantenhaus) mit 110 zu 14 Stimmen. Als nächstes muss der Seanad (irisches Oberhaus) zustimmen, ehe der irischen Präsident Michael D. Higgins seine Unterschrift darunter setzen kann.

EU-Charta garantiert Informationsfreiheit

In der Europäischen Union ist die Meinungs- und Informationsfreiheit ein Recht, das insbesondere in der EU-Charta der Grundrechte und in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert wird. Artikel 11 der erstgenannten Charta sieht unter anderem das Recht vor, „Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben“. Artikel 10 der zweitgenannten Charta betont aber auch, dass die Ausübung dieser Freiheit mit Pflichten und Verantwortung verbunden ist.

Links

Facebook-Posting (archiviert)

Gesetzesentwurf (archiviert)

Artikel mit Aussagen von Musk und Trump Jr. (archiviert)

Artikel mit Stellungnahme von Harris (archiviert)

Das Gesetz in seiner aktuell gültigen Fassung (archiviert)

Aussendung der irischen Regierung (archiviert)

Der Status Quo im Gesetzgebungsverfahren (archiviert)

dpa-Faktenchecks auf Französisch und Niederländisch

EU-Grundrechtecharta (archiviert)

Europäische Menschenrechtskonvention (archiviert)

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