Berlin (dpa) – Machtwechsel in Deutschland: Die konservativen Schwesterparteien CDU/CSU haben die Bundestagswahl klar gewonnen und dürften mit Friedrich Merz den nächsten Kanzler stellen. Nach dem vorläufigen Ergebnis kommt die rechte Alternative für Deutschland (AfD) auf Platz zwei. Dahinter folgen die sozialdemokratische SPD, die auf ein historisches Tief abstürzt, sowie die Grünen. Die Linke ist überraschend stark im Bundestag, dem deutschen Parlament, vertreten. Das links-konservative Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die liberalen Freien Demokraten (FDP) scheitern dagegen an der Fünf-Prozent-Hürde und verpassen den Einzug ins Parlament.
Nun läuft alles auf ein Bündnis aus den Unionsparteien CDU/CSU und SPD hinaus, denn eine schwarz-grüne Koalition (CDU/CSU und Grüne) hat keine Mehrheit der Mandate. Ein Zusammengehen mit der in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften AfD, die sich auf 20,8 Prozent verdoppelte (Wahl 2021: 10,4 Prozent), hat CDU-Chef Merz ausgeschlossen.
Merz: «Schnell handlungsfähig werden»
Die Union kommt nach dem vorläufigen Ergebnis auf 28,5 Prozent (Wahl 2021: 24,1 Prozent). CDU-Chef Merz hat nun beste Chancen, nächster Kanzler nach Olaf Scholz (SPD) zu werden – dieser bleibt aber zunächst im Amt. Merz hat angekündigt, spätestens bis Ostern eine Regierung bilden zu wollen. Merz betonte, dass es auch für Europa wichtig sei, dass es keine Hängepartie gebe. Auf X schrieb er, Europa warte auf Deutschland. «Wir müssen jetzt wieder schnell handlungsfähig werden.»
Scholz übernimmt Verantwortung
Die SPD erzielte mit 16,4 Prozent (2021: 25,7 Prozent) ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl. Scholz sprach von einem bitteren Ergebnis und einer Niederlage, für die er auch Verantwortung trage. Im Fall von Koalitionsgesprächen stehe er nicht als Verhandlungsführer zur Verfügung.
Die Grünen mit Kanzlerkandidat Robert Habeck sacken ab auf 11,6 Prozent (2021: 14,7 Prozent). Die Linken verbessern sich deutlich auf 8,8 Prozent (2021: 4,9 Prozent).
Bei der FDP, die mit nur 4,3 Prozent aus dem Parlament fliegt (2021: 11,4 Prozent), steht nun ein Wechsel an der Spitze an: Parteichef Christian Lindner schrieb am Abend auf X: «Nun scheide ich aus der aktiven Politik aus.» Das BSW von Sahra Wagenknecht scheitert hauchdünn an der Fünf-Prozent-Hürde: Laut Bundeswahlleitung kommt das BSW auf 4,972 Prozent.
Der neue Bundestag hat 630 Sitze – für eine Mehrheit sind 316 Sitze nötig. Die Union erreicht nach dem vorläufigen Ergebnis auf 208 Sitze im neuen Parlament. Die SPD erringt 120 Mandate. Eine Regierungskoalition der beiden Fraktionen ist damit möglich. Für eine schwarz-grüne Koalition reichen die Ergebnisse nicht: Die Grünen bekommen lediglich 85 Abgeordnete. Die AfD vergrößert ihre Fraktion mit 152 Sitzen deutlich. Die Linke stellt 64 Abgeordnete. Ein Mandat erringt erneut der Südschleswigsche Wählerverband, der als Partei der dänischen und friesischen Minderheit von der Fünf-Prozent-Hürde befreit ist.
AfD will mitregieren
AfD-Chefin Alice Weidel sprach von einem historischen Ergebnis. «Man wollte uns halbieren, das Gegenteil ist eingetreten.» Die AfD sei bereit zur Zusammenarbeit mit der Union. «Unsere Hand wird immer ausgestreckt sein für eine Regierungsbeteiligung, um den Willen des Volkes umzusetzen.» Zugleich kündigte sie an: «Wir werden die anderen jagen, dass sie vernünftige Politik für unser Land machen.» Ihre Hochburgen hat die AfD im Osten: Die AfD ist in allen fünf ostdeutschen Flächenländern stärkste Kraft geworden.
Die Wahlbeteiligung lag laut den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF mit 83,0 bis 83,1 Prozent höher als 2021 (76,4 Prozent) und erreichte den höchsten Wert seit der Wiedervereinigung. Zur Stimmabgabe aufgerufen waren 59,2 Millionen Menschen, davon gut 42 Prozent 60 Jahre oder älter.
Die Wahl wurde um sieben Monate vorgezogen – ein Vorziehen gab es bisher nur 1972, 1983 und 2005. Grund ist, dass die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im November zerbrochen war.
Wahlkampf kreiste zuletzt vor allem um Migration
Der kurze Winterwahlkampf war zuletzt geprägt von der Debatte über eine Begrenzung der Migration. Merz hatte gefordert, dass auch Asylbewerber an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden – was aus Sicht von Grünen und SPD gegen Europarecht verstoßen würde. Scharfe Kritik hatte Merz auf sich gezogen, nachdem die Union im Bundestag einen Antrag zur Migrationspolitik mit Stimmen der AfD durchgesetzt hatte. (24. Februar)
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