Brüssel – Der Umgang mit Israel sorgt in der Europäischen Union erneut für heftigen Streit. Auslöser ist ein interner Bericht des Auswärtigen Dienstes unter Führung von EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas. Danach verstößt Israel mit seinem Vorgehen im Gazastreifen gegen festgelegte Grundsätze für eine enge Zusammenarbeit mit der EU. Mitgliedsstaaten wie Spanien fordern nun sofortige Konsequenzen wie das Aussetzen des seit 2000 gültigen Partnerschaftsabkommens zwischen der EU und Israel. Unter anderem Deutschland lehnt dies aber ab.
EU-Chefdiplomatin Kallas kündigte an, Israel zu kontaktieren und die Ergebnisse des Berichts weiterzugeben. Die Lage vor Ort müsse sich für die Menschen verbessern, sagte sie nach einem Treffen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel. Ein Hauptanliegen sei etwa die Verteilung der humanitären Hilfsgüter. Wenn sich die Situation nicht verbessern sollte, müsse man über weitere Maßnahmen diskutieren.
Der deutsche Außenminister Johann Wadephul hatte zuvor gemahnt, dass Israel ein demokratischer Rechtsstaat im Nahen Osten sei, zu dem man gute Beziehungen haben sollte. «Wir brauchen dieses Assoziierungsabkommen und sollten es in keiner Weise in Zweifel ziehen.»
Unterschiedliche Linien in der EU
Dass sich die deutsche Position noch durchsetzt, ist allerdings unwahrscheinlich. So forderte etwa der irische Außenminister und Vize-Regierungschef Simon Harris, die EU-Kommission müsse nun konkrete Maßnahmen und Sanktionen vorschlagen, um Druck auszuüben und das Verhalten Israels zu ändern. Schwedens Außenministerin Maria Malmer Stenergard rief die Kommission ebenfalls auf, verschiedene Optionen für das weitere Vorgehen vorzulegen.
Als denkbar gilt beispielsweise, dass per Mehrheitsbeschluss Zollerleichterungen aufgehoben und Israels Zugang zum EU-Forschungsförderungsprogramm Horizon blockiert werden. Für ein Aussetzen des kompletten Partnerschaftsabkommens bräuchte es Einstimmigkeit unter den EU-Staaten, die es wegen der Positionierung von Deutschland, Österreich, Ungarn und der Slowakei auf absehbare Zeit nicht geben dürfte.
«Nur normal, dass wir aussetzen» – Spaniens klare Worte
Spaniens Außenminister José Manuel Albares forderte diesen Schritt dennoch. «Wenn das Assoziierungsabkommen auf Menschenrechten basiert, ist es nur normal, dass wir dieses Assoziierungsabkommen heute sofort aussetzen», sagte er in Brüssel. Er rief zudem zu einem Embargo für Waffenverkäufe an Israel auf. Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot sprach sich dafür aus, beim nächsten Außenministerrat Konsequenzen zu ziehen. Er ist für den 15. Juli angesetzt.
EU-Bericht thematisiert humanitäre Lage in Gaza
Der unter Kallas‘ Führung erarbeitete Bericht geht auf einen Beschluss der EU-Außenminister vom Mai zurück. Sie hatten eine Überprüfung beauftragt, ob Israel noch die Grundprinzipien des Abkommens einhält – darunter die Achtung der Menschenrechte. In dem Bericht wird Israels Vorgehen im Gazastreifen nun als Verstoß gewertet, insbesondere wegen der massiven Einschränkungen bei der Lieferung humanitärer Hilfe. Israel begründet dies mit dem Einfluss der Hamas auf die Verteilung.
Das Ergebnis des Berichts hat sich bereits seit einigen Wochen abgezeichnet. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bereits Ende Mai gesagt, dass die Eskalation und der unverhältnismäßige Einsatz von Gewalt gegen Zivilisten im Gazastreifen unter humanitärem und internationalem Recht nicht zu rechtfertigen seien. Die Ausweitung der israelischen Militäreinsätze im Gazastreifen, bei denen zivile Infrastrukturen ins Visier genommen würden, sei abscheulich. (23. Juni)
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