Das lang erwartete Einreise-/Ausreise-System (EES) der EU wird nach mehreren Verzögerungen nun am Sonntag, dem 12. Oktober, eingeführt. Das System ersetzt die Stempel in den Pässen durch Fingerabdrücke und Gesichtsaufnahmen dank einer Reihe von Scannern, die an Flughäfen, Häfen und Bahnhöfen in ganz Europa installiert worden sind.
Ziel ist es, alle Ein- und Ausreisen von Nicht-EU-Bürgern, die sich für einen Kurzaufenthalt von maximal 90 Tagen (innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen) im Land aufhalten, zu erfassen, damit die Behörden Überziehungen der Aufenthaltsdauer und Einreiseverweigerungen automatisch verfolgen können.
Das EES “wird den Grenzbeamten helfen, zu überprüfen, ob die Person, die den Reisepass vorlegt, auch wirklich die ist, für die sie sich ausgibt, und ob ihr Reisepass echt und nicht gefälscht ist,“ sagte Assita Kanko, Europaabgeordnete der Europäischen Konservativen und Reformer, die als Berichterstatterin des Europäischen Parlaments für das EES fungierte.
Was wird am 12. Oktober passieren?
Nicht-europäische Reisende, die in alle EU-Länder mit Ausnahme von Zypern und Irland – die beide nicht zum Schengen-Raum gehören – einreisen, werden bei der Grenzkontrolle aufgefordert, ihre Passnummer, Fingerabdrücke und Fotos vorzulegen.
Die Informationen werden auch bei der Einreise nach Island, Liechtenstein, Norwegen und in die Schweiz verlangt und in den meisten Fällen drei Jahre lang gespeichert. Sie werden bei der ersten Reise an einem Grenzübergang nach Einführung des EES erfasst. Bei zukünftigen Reisen werden die Beamtinnen und Beamten an der Passkontrolle nur noch Fingerabdrücke und Fotos der Reisenden überprüfen, was laut EU weniger Zeit in Anspruch nehmen soll.
Das neue System wird über einen Zeitraum von sechs Monaten bis zum 10. April 2026 schrittweise eingeführt.
Die größten EU-Länder wie Frankreich und Deutschland werden zunächst nur vereinzelte Kontrollen vornehmen, um lange Warteschlangen an den Flughäfen zu vermeiden. Einige kleinere Staaten wie Estland und Luxemburg werden das System von Anfang an vollständig umsetzen.
Andere Länder verfolgen einen gemischten Ansatz. In Kroatien zum Beispiel werden die biometrischen Daten vom 12. Oktober bis zum Ende des Monats vier Stunden pro Tag, im November acht Stunden pro Tag und ab Dezember zwölf Stunden pro Tag erfasst.
Slowenien wird laut Angaben seiner Polizei das EES schrittweise an den Grenzübergängen an seiner Schengen-Außengrenze einführen. Dies betrifft drei Grenzübergänge für den internationalen Luftverkehr (Ljubljana-Brnik, Maribor-Slivnica und Portorož) und zwei Grenzübergänge für den internationalen Seeverkehr (Koper und Piran).
Einige Europäerinnen und Europäer aus Ländern außerhalb der EU oder des Schengen-Raums müssen sich darauf vorbereiten, diese Vorschriften einzuhalten. Das Innenministerium des EU-Beitrittskandidatenlandes Nordmazedonien forderte alle seine Bürger, die eine Reise in den Schengen-Raum planen, dazu auf, sich mit den neuen Vorschriften und Verfahren vertraut zu machen, um sicherzustellen, dass ihre Reisen pünktlich, sicher und ohne unnötige Verzögerungen verlaufen.
Das Ministerium betonte, dass alle Daten gemäß den strengen Standards der EU und der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verarbeitet und gespeichert werden. Dies gewährleistet einen umfassenden Schutz der Privatsphäre und eine transparente Verwendung der erhobenen Daten.
Auch die stellvertretende Ministerpräsidentin Albaniens, Belinda Balluku, riet Reisenden dazu, sich über die neuen Vorschriften zu informieren.
Wird es zu Verzögerungen kommen?
Es wird befürchtet, dass die Erfassung dieser neuen Daten von der kommenden Woche an zu langen Warteschlangen an Flughäfen und Bahnhöfen führen könnte.
„Wie immer, wenn wichtige neue IT-Systeme eingeführt werden, kann es zu einigen Startschwierigkeiten kommen. Aber genau deshalb wird das System in einer Nebensaison für internationale Reisen eingeführt. Darüber hinaus wurde die schrittweise Einführung gerade deshalb vereinbart, um größere Probleme zu vermeiden“, sagte EU-Abgeordnete Kanko.
„Die Behörden und Reisenden an den Grenzübergängen können sich Schritt für Schritt an das System gewöhnen. Und im Falle unvorhergesehener Probleme oder übermäßiger Wartezeiten können die örtlichen Grenzbeamten die Nutzung des Systems vorübergehend aussetzen, um die Situation zu bewältigen“, fügte Kanko hinzu.
Das französische Innenministerium äußerte sich zuversichtlich und erklärte, es erwarte für den 12. Oktober „eine normale Situation ohne großen Andrang“. Es ließ jedoch auch verlauten, dass die vollständige Umsetzung dieses Systems für Frankreich, das mit 100 Millionen ausländischen Besuchern im Jahr 2024 eines der weltweit führenden Reiseziele war, nach wie vor eine „große“ Herausforderung darstelle.
Britische Reisende werden aufgrund ihrer guten Verkehrsanbindung an die EU am stärksten betroffen sein, aber einige Betreiber sind zuversichtlich, dass alles reibungslos funktionieren wird. „Alles ist bereit, alles ist vorbereitet und alles wurde bereits mit Hunderten von Kunden getestet,” so Yann Leriche, Geschäftsführer des Kanaltunnel-Betreibers Getlink, im September in einem Gespräch mit der französischen Nachrichtenagentur AFP. Getlink gab an, 80 Millionen Euro für seine neuen Systeme in Großbritannien und Frankreich ausgegeben zu haben.
Was sind die Vorteile für die Europäer?
Die neuen Vorschriften treten fast zehn Jahre nach ihrer ersten Vorlage durch die Europäische Kommission in Kraft. Die Kommission erklärte, die Regeln würden dazu beitragen, „irreguläre Migration zu verhindern und die Sicherheit aller Menschen zu schützen, die in Europa leben oder dorthin reisen“.
Das französische Innenministerium erklärte, dass das System es auch ermöglichen wird, einen „Missbrauch“ von Visa zu erkennen – etwa, wenn eine Person mit einem Touristenvisum eingereist ist, das später in ein Privat- und Familienvisum umgewandelt wurde – sowie um festzustellen, ob eine Person, der Asyl verweigert wurde, den Schengen-Raum verlassen hat.
„Dadurch wird sichergestellt, dass Personen, die in den Schengen-Raum einreisen, über gültige Ausweispapiere verfügen,“ sagte Kanko. „Alle Menschen guten Willens, die in der EU ankommen, können weiterhin ohne Bedenken einreisen.“
Die vollständige Umsetzung des EES ist eine Voraussetzung für die Einführung einer weiteren Regelung für Drittstaatsangehörige bei der Einreise in die EU. Dabei handelt es sich um das Europäische Reiseinformations- und -genehmigungssystem (ETIAS), das voraussichtlich 2026 eingeführt wird.
ETIAS ist eine elektronische Reisegenehmigung für den Schengen-Raum, ähnlich dem amerikanischen ESTA-System. Drittstaatsangehörige müssen vor ihrer Reise in die EU ein Online-Formular ausfüllen, eine Gebühr von 20 Euro entrichten und auf die Genehmigung warten. Passagiere ohne gültige ETIAS-Genehmigung werden nach der Einführung möglicherweise gar nicht erst an Bord eines Fluges gehen können – oder sie riskieren, dass ihnen die Einreise in den Schengen-Raum verweigert wird.
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