Brüssel – Laut dem für die EU-Sanktionen gegen Russland zuständigen Beauftragten David O’Sullivan ist derzeit weder eine Untersuchung gegen Österreich wegen möglicher Verstöße gegen die Sanktionen am Laufen, noch sei seines Wissens eine geplant. Aber: „Wo es Sanktionen gibt, wird es auch Umgehungen der Sanktionen geben“, sagte O’Sullivan am Mittwoch bei einer Diskussion des europäischen Think Tank European Policy Center in Brüssel. Rumänische EU-Abgeordnete fordern eine Untersuchung.
Die rumänischen EU-Parlamentarier Eugen Tomac und Vlad Botoș hatten die Europäische Kommission vergangene Woche in einem Brief an O’Sullivan aufgefordert, eine Untersuchung zur Einhaltung der Sanktionen durch Österreich einzuleiten. Hintergrund der Initiative ist laut Beobachtern Österreichs Beharren auf seinem Veto gegen den Schengen-Beitritt Rumäniens. Der rumänische Premier hatte aus diesem Grund in einem „Standard“-Interview angekündigt, Österreich beim Europäischen Gerichtshof zu verklagen.
Alle EU-Mitgliedstaaten seien an die Sanktionen gebunden, und würden seiner Meinung nach ihr Bestes für deren Umsetzung geben, so O’Sullivan weiter. Das bedeute aber nicht, dass es keine Umgehung gebe: „Es ist eine Herausforderung für alle.“ Beweise für die Strafverfolgung brauchten Zeit. Seiner Meinung nach würden „mehr Fälle auftauchen“: „Wir werden sehen, ob und wann wir Beispiele haben, bei denen das neue Instrument ausgelöst werden muss.“ Das elfte Sanktionspaket vom Juni legt seinen Schwerpunkt auf die Durchsetzung bereits erlassener Sanktionen und enthält ein Instrument gegen deren Umgehung.
Die Sanktionen seien „ein sehr wichtiger Teil unserer Unterstützung für die Ukraine“, betonte der frühere EU-Botschafter in den USA. Seine Priorität sei eine „Minimierung des Ausmasses der Umgehung“: „Wir müssen die Umgehung auf breiter Front bekämpfen. Unsere Mitgliedsstaaten sind dafür verantwortlich.“ Die Umgehung von Sanktionen sei ein europäisches Verbrechen.
Er betonte, dass es noch viel zu tun gebe: „Wer sind die Akteure, wer sind die Zwischenhändler, wer sind die Vermittler?“ Ein Land, das im Verdacht stünde, die Sanktionen nicht einzuhalten, bekomme Probleme mit seinem Ruf. „Andere denken dann, mit diesem Land muss man vorsichtig sein“, so der Ire. Welche EU-Länder besonders betroffen seien, und ob gegen Österreich noch Schritte zu erwarten seien, wollte O’Sullivan nicht konkretisieren. (21.09.2023)
Fahrtauglichkeitscheck für Senioren: Erneut Aufregung um EU-Vorschlag
Brüssel/Wien – In Österreich gehen erneut die Wogen rund um eine geplante EU-Richtlinie für mehr Sicherheit im Autoverkehr hoch. Diese sieht unter anderem regelmäßige Prüfungen der Fahrtauglichkeit älterer Menschen vor. Die EU-Kommission hatte ihren Vorschlag bereits im März präsentiert. Nun hat die Berichterstatterin im zuständigen Ausschuss des EU-Parlaments ihre Vorschläge vorgelegt und damit bei heimischen Politikern und Seniorenvertretern erneut für Verärgerung gesorgt.
Der Kommissionsvorschlag hatte vorgesehen, dass Menschen über 70 mindestens alle fünf Jahre entweder eine Selbsteinschätzung zur Fahrtauglichkeit ausfüllen oder eine ärztliche Untersuchung absolvieren sollen. Die Berichterstatterin schlägt nun vor, den Führerschein nach einer ärztlichen Untersuchung bei Menschen über 60 nur um sieben Jahre zu verlängern, über 70 nur um fünf Jahre und für Menschen über 80 nur um zwei Jahre.
Während solche Regeln in einigen EU-Staaten bereits länger gang und gäbe sind, stoßen sie in Österreich auf große Ablehnung. „Ich halte wenig von diesen Ideen, die hier im EU-Parlament diskutiert werden. Diese Regelungen sind praxisfern und nicht vernünftig“, sagte Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne). „Es gibt den Vorschlag der Kommission, gegen den wir uns sehr, sehr deutlich auch ausgesprochen haben“, meinte sie dazu am Montag am Rande eines Medientermins. Die Führerscheingültigkeitsdauer im Alter zu begrenzen, da habe sich „Österreich gemeinsam mit anderen Mitgliedsstaaten dagegen ausgesprochen“, erklärte die Ministerin. Sie stehe „voll und ganz hinter dem Ziel für mehr Verkehrssicherheit“. Aber dies müsse „datenunterstützt und faktenbasiert“ geschehen.
„Das darf so in dieser Form in Österreich nicht umgesetzt werden“, sagte auch der Präsident des Pensionistenverbandes, Peter Kostelka, in einer Aussendung. „Regelmäßige Zwangsuntersuchungen von Gesundheit und Fahrtauglichkeit und mit fortschreitendem Alter immer kürzer werdende Befristungen des Führerscheins sind klare Fälle von Altersdiskriminierung.“ Auch Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec lehnt den Vorschlag „strikt“ ab. „Es ist ein Irrglaube, dass ältere Menschen ein größeres Sicherheitsrisiko auf den Straßen darstellen“, so Korosec.
Ablehnung gab es auch von Seiten der ÖVP. „Unser Verhandlungsziel ist, dass am Ende des Tages ein anderes Gesetz am Tisch liegt als das, was wir jetzt haben“, erklärte ÖVP EU-Abgeordnete Barbara Thaler. „Dieser Vorschlag wäre ein Anschlag auf die motorisierte, individuelle Mobilität der Menschen und ist völlig indiskutabel“, pflichtet ihr ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger bei.
Gegen automatische Fahrtauglichkeitschecks wie es sowohl die Kommission als auch die Berichterstatterin vorschlagen, ist auch SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried: „Besser sind die österreichischen Regeln: Demnach gibt es dann eine Überprüfung der Fahrtauglichkeit, wenn es einen konkreten Anlass gibt.“
Differenzierter drückt sich sein Parteikollege und SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder aus. Auch er kritisiert zwar die automatischen Nachprüfungen ab einem gewissen Alter als „nicht zielführend und diskriminierend“, auch „altersbezogene gestaffelte Geschwindigkeitsbegrenzungen“ seien „völlig sinnlos“. Schieder begrüßt aber das Ziel des Kommissionsvorschlags, nämlich die Zahl der Verkehrstoten drastisch zu reduzieren.
Kritik kam auch vom Autofahrerklub ARBÖ: „Das, was hier zu Papier gebracht wurde, ist fern jeder Realität“, so Generalsekretär Gerald Kumnig. „Unter dem Deckmantel der Verkehrssicherheit sollen bestimmte Gruppen von Menschen einfach von der Individualmobilität ausgeschlossen werden. Das ist schlichtweg ein Weg in die falsche Richtung und darf so nicht umgesetzt werden.“ Und der ÖAMTC ergänzt: „Ein Ausschuss-Bericht macht noch kein Gesetz“, so Bernhard Wiesinger, Leiter der Interessenvertretung. Die jetzt bekannt gewordenen Verschärfungen gegenüber dem Vorschlag der EU-Kommission lehnt der ÖAMTC ebenfalls ab, bezeichnet sie als „praxisfern“ und geht von einer realistischen und zeitgemäßen Lösung für mobile Menschen aus.
Der Vorschlag der Berichterstatterin muss nun noch den entsprechenden Transportausschuss passieren, im Plenum des EU-Parlaments abgestimmt und dann mit den EU-Ländern verhandelt werden. „Das ist noch lange nicht fertig in der Diskussion“, meinte dazu Gewessler. Der finale Gesetzestext – als Richtlinie lässt er den Mitgliedstaaten einen gewissen Umsetzungsspielraum – dürfte demnach von der aktuellen Vorlage abweichen. „Ich gehe nicht davon aus, dass diese teils eigenartigen Vorschläge sich dann auch im Gesetz wiederfinden. Sondern ich bin überzeugt, dass wir hier bestehende und funktionierende Regelungen fortführen werden. Und so vernünftig die Verkehrssicherheit verbessern“, so Gewessler. (19.09.2023)~
EU-Kommission empfiehlt weitere Zulassung von Glyphosat
Brüssel – Die EU-Kommission hat am Mittwoch in Brüssel die weitere Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat empfohlen. Glyphosat ist noch bis 15. Dezember EU-weit zugelassen. Laut dem veröffentlichten Vorschlag dürfte das Mittel für weitere zehn Jahre in der EU zum Einsatz kommen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sah eine Wiederzulassung in ihrer letzten Bewertung unkritisch. Umweltschutzorganisationen warnen jedoch vor gefährlichen Auswirkungen.
Für den Einsatz in der EU sieht die Kommission bestimmte Bedingungen vor, etwa Maßnahmen zur Risikominderung. Ziel ist, zu verhindern, dass Glyphosat bei der Anwendung stark verweht wird. Die Mitgliedstaaten dürften auch weiterhin auf nationaler Ebene Produkte verbieten, die Glyphosat enthalten. In Österreich gilt bereits ein Teilverbot auf sensiblen Flächen und im nicht-beruflichen Bereich.
Die EFSA bewertet die von ihr untersuchten Risiken als nicht so groß, dass eine weitere Zulassung untersagt werden müsste. Aspekte, die nicht abschließend geklärt wurden, sind laut ESFA etwa ernährungsbedingte Risiken für Verbraucher und die Bewertung der Risiken für Wasserpflanzen. Eine aktuelle Studie des PAN Europe (Pestizid Aktions-Netzwerk) im Auftrag der Grünen/EFA-Fraktion im EU-Parlament wies das Mittel in Gewässern in elf von zwölf EU-Staaten nach, darunter auch Österreich. Laut der grünen EU-Abgeordneten Sarah Wiener sind 85 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher gegen Glyphosat. „Die jüngste Einschätzung der EFSA war nicht aussagekräftig. Angesichts dessen eine Verlängerung um 10 Jahre vorzuschlagen, ist hochfahrlässig und widerspricht dem EU-Vorsorgeprinzip“, kommentierte Wiener am Mittwoch.
Glyphosat tötet alle Pflanzen, die damit in Berührung kommen. Nach der Behandlung durch das Pflanzenschutzmittel sind die Äcker frei von Unkraut. Es zählt zu den weltweit am meisten eingesetzten Herbiziden und wurde vom US-Konzern Monsanto entwickelt, den der deutsche Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer übernahm. Mit dem Zukauf holte sich Bayer auch eine Klagewelle wegen der angeblich krebserregenden Wirkung von Glyphosat ins Haus. Behörden weltweit, darunter die US-Umweltbehörde EPA und die Europäische Chemikalienagentur, haben das Herbizid als nicht krebserregend eingestuft.
Der Vorschlagsentwurf soll am Freitag mit den Vertretern der EU-Staaten im zuständigen Ausschuss erörtert werden. Die Mitgliedstaaten müssen der Verlängerung final zustimmen. Dies wird nicht vor Mitte Oktober erwartet, eventuell auch später.
„Das wahrscheinlich krebserregende Gift Glyphosat hat schon längst nichts mehr auf unseren Äckern und Tellern verloren. Glyphosat für weitere zehn Jahre in Europa zuzulassen, wäre schlicht fahrlässig und eine Gefahr für unsere Gesundheit und die Natur“, sagte Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Sebastian Theissing-Matei. „Der zuständige Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig muss unbedingt gegen die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung stimmen.“
Bayer begrüßte den Verordnungsentwurf der EU-Kommission. Er basiere auf den „überzeugenden wissenschaftlich fundierten Schlussfolgerungen“ der EFSA. „Bayer ist der Ansicht, dass die Entscheidung der Mitgliedstaaten auf den wissenschaftlichen Schlussfolgerungen der zuständigen Behörden beruhen und zu einem Votum für eine erneute Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat führen sollte“, betonte das Unternehmen. (20.09.2023)
EU-Migrationspakt: Parlament legt Verhandlungen teilweise auf Eis
Brüssel/EU-weit – Die Verhandlungen für eine Reform der EU-Asyl- und Migrationspolitik haben einen erneuten Rückschlag erlebt: Nachdem die EU-Mitgliedstaaten es bisher nicht geschafft haben, sich auf eine gemeinsame Position rund um eine geplante Krisenverordnung zu einigen, hat das EU-Parlament nun die Verhandlungen zu anderen Teilen des Migrationsdeals auf Eis gelegt.
Die unterschiedlichen Teile des Migrationspakts seien miteinander verbunden, argumentierte das Parlament am Mittwoch in einer Aussendung. Nur in einigen Teilen weiterzuverhandeln, könne in eine Sackgasse führen und somit die breite Unterstützung, die die Reform im Parlament genieße, aufs Spiel setzten. Pausiert werden die Verhandlungen zu der Fingerabdruck-Datenbank Eurodac und zu Screening-Verfahren an den EU-Außengrenzen.
Die Krisenverordnung soll Ausnahmen für die Asylregeln für den Fall festlegen, dass sich ein Mitgliedstaat einer besonders hohen Ankunftszahl von Flüchtenden gegenübersieht. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen sich zuerst auf eine gemeinsame Position einigen, bevor die Verhandlungen mit dem Parlament beginnen können. Zu Eurodac und Screening-Verfahren liefen die Gespräche bereits.
Die österreichische EU-Abgeordnete Theresa Bielowski (SPÖ) stellte sich hinter die Position des Parlamentes. „Als EU-Parlament erwarten wir jetzt ein klares Signal unseres Co-Gesetzgebers, dem Rat der Mitgliedstaaten, denn die aktuelle Situation an Europas Außengrenzen ist viel zu ernst für politische Spielchen und kleinliche Debatten.“
Wenig Gefallen an der erneuten Verzögerung der Verhandlungen findet die FPÖ. Der freiheitliche EU-Abgeordnete Harald Vilimsky will eine „Allianz von Willigen“. „Diese EU ist unfähig, sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner im Asylverfahrensrecht zu verständigen“, so Vilimsky, der nach einem „aktiven Außengrenzschutz, bedingungslosen Rückführungen und Pushbacks“ ruft.
Die EU-Innenminister hatten im Juni Pläne für eine weitreichende EU-Asylreform beschlossen. Vorgesehen sind zahlreiche Verschärfungen, um illegale Migration zu begrenzen. Der von der EU-Kommission vorgeschlagene Asyl- und Migrationspakt umfasst insgesamt sieben Verordnungen und zwei Richtlinien. Die Pläne werden derzeit in sogenannten Trilogverhandlungen zwischen den EU-Institutionen verhandelt. Der Zeitdruck ist groß, das gesamte Paket in der laufenden Legislaturperiode abzuschließen. (20.09.2023)
Diese Zusammenstellung ist eine redaktionelle Auswahl der APA-Europaberichterstattung. Die redaktionelle Verantwortung für die Veröffentlichung liegt bei der APA. Sie wird montags und donnerstags veröffentlicht.
