Knapp sieben Monate nach Beginn des Krieges gegen die Ukraine hat Russland eine Teilmobilmachung seiner Streitkräfte angeordnet. Präsident Wladimir Putin kündigte diese Entscheidung am Morgen des 21. September 2022 an. In sozialen Medien kursiert daraufhin ein Video von einem Stau an der finnisch-russischen Grenze, dessen Länge mit 35 Kilometern angegeben wurde. Als Beweis dafür, dass nach der Ankündigung Putins außergewöhnlich viele Russen ihr Land Richtung Europäische Union verlassen wollen, taugt diese Aufnahme jedoch nicht.

Bewertung

Das Video wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgenommen. Die finnischen Grenzschutzbehörden dementieren zudem, dass es am Tag der Ankündigung des russischen Präsidenten kilometerlange Staus an der Grenze zu Russland gab.

Fakten

Das geteilte Video wurde am 19. September 2022 auf YouTube und Tiktok hochgeladen. Es kann sich also nicht um ein Video vom 21. September – dem Tag der Teilmobilmachung – handeln. Der mutmaßliche Urheber des Videos gab gegenüber griechischen Faktenprüfern an, dass das Video am 29. August entstanden sei.

Auf Twitter wird dagegen Mitte Juli als Aufnahmezeitpunkt ins Spiel gebracht, weil die finnische Regierung Ende Juni die Corona-Einreisebestimmungen hatte auslaufen lassen. Russinnen und Russen konnten ab dem 1. Juli wieder die finnische Grenze passieren. Ob das Video im Juli oder August aufgenommen wurde lässt sich nicht abschließend verifizieren.

Das Video wurde an der finnisch-russischen Grenze aufgenomen. Darauf ist der Grenzübergang Vaalimaa (Vaalimaan rajanylityspaikka) im Südosten Finnlands zu sehen. Eine Webcam vor Ort zeigt Aufnahmen vom 21. September 2022, auf denen die Autoschlange nicht mehr als fünf bis sechs Fahrzeuge umfasst. Es gibt aber auch einige Bilder, auf denen sich die Schlange aus mehr als 50 Fahrzeugen zusammensetzt. Nicht zu sehen sind dagegen Staus über eine Länge von mehreren Kilometern.

Über Twitter stellt die finnische Grenzschutzbehörde klar, dass es sich bei dem geteilten um kein aktuelles Video handelt: «Die Lage an den finnischen Grenzen hat sich durch die Ankündigung der russischen Mobilmachung nicht verändert. In den sozialen Medien kursieren Videos, von denen zumindest einige bereits zuvor gefilmt und nun aus dem Zusammenhang gerissen wurden.» Auch ein Mitarbeiter des finnischen Außenministeriums dementierte inzwischen Berichte über lange Staus an der finnisch-russischen Grenze.

Nach Angaben des Leiters für internationale Angelegenheiten des finnischen Grenzschutzes, Matti Pitkäniitty, kamen am Mittwoch insgesamt 4824 Russinnen und Russen über die Grenze in Finnland an. Am selben Tag der Vorwoche seien es 3133 gewesen. Pitkäniitty ordnet zudem ein: «Die gestrige Zahl ist niedriger als an einem normalen Wochenende.»

Die baltischen Länder und Polen hatten am Montag zuvor ihre Grenzen für russische Touristen geschlossen. Finnland bot deshalb die einzige Landesgrenze, über die Russen mit einem Touristenvisum in die EU einreisen dürfen. Finnland hat unter den EU-Staaten die mit Abstand längste Grenze zu Russland – diese ist 1340 Kilometer lang.

Die Behauptung zu dem viel geteilten Video wird übrigens nicht richtiger dadurch, dass sie in zahlreichen Sprachen und vielen Ländern Europas kursiert. Faktenchecks dazu gibt es unter anderem auch auf Französisch.

Links

Tweet der finnischen Grenzbehörden (archiviert)

Tweet Mitarbeiter finnisches Außenministerium (archiviert)

ZDF-Bericht über Einreisebeschränkungen (archiviert)

Tweet Matti Pitkäniitty (archiviert)

Griechischer Faktencheck zum Thema (archiviert)

Grenzübergang Vaalimaa bei Google Maps (archiviert)

Archiviertes Webcam-Bild 1

Archiviertes Webcam-Bild 2

Tweet mit Theorie zum Aufnahmezeitpunkt des Videos (archiviert)

Finnisches Ministerium zum Ende der Corona-Einreisebestimmungen (archiviert)

Video auf YouTube (archiviert)

Video auf Tiktok (archiviert)

Tweet mit Video und Behauptung (archiviert)

dpa-Faktencheck (Französisch)

Über dpa-Faktenchecks

Mehr Faktenchecks von dpa finden Sie auf der Seite dpa-factchecking.com. Über die Grundsätze unserer Arbeit informieren wir hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte an faktencheck@dpa.com.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.