„Chinas Einfluss erstreckt sich über alle Kontinente und globalen Institutionen – und Chinas Ambitionen sind noch nicht am Ende“, sagte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, am Donnerstag in Brüssel im Vorfeld ihrer für die kommende Woche geplanten Reise nach Peking an der Seite des französischen Präsidenten Emmanuel Macron.
„Die Festlegung einer erfolgreichen europäischen Strategie gegenüber China muss mit einer nüchternen Betrachtung unserer derzeitigen Beziehungen und der strategischen Absichten Chinas beginnen“, fügte sie hinzu und betonte gleichzeitig, dass sich von Peking abzukoppeln „weder machbar noch im Interesse Europas“ sei.
Einen Schwerpunkt legte von der Leyen auf wirtschaftliche Risiken für die EU – und wie Europa darauf reagieren sollte. 9 Prozent der EU-Exporte gingen nach China, mehr als 20 Prozent der Importe kämen aus dem asiatischen Land. Obwohl dieses Ungleichgewicht zunehme, stelle der größte Teil des Handels kein Risiko dar, sagte sie. In einigen Bereichen gebe es jedoch Risiken für die wirtschaftliche oder nationale Sicherheit, fügte sie hinzu. Hier müsse das Verhältnis neu austariert werden. Es müsse sichergestellt werden, dass die Wirtschaftsbeziehungen den Wohlstand beider Seiten förderten, so von der Leyen.
Sie brachte allerdings auch die chinesische Politik der Einschüchterung und Nötigung zur Sprache: „So wie China militärisch aufgerüstet hat, hat es auch seine Politik der Desinformation und des wirtschaftlichen und handelspolitischen Drucks forciert. Diese Politik ist bewusst auf andere Länder ausgerichtet, die damit konform gehen sollen“, sagte von der Leyen.
So hatte China zum Beispiel im Jahr 2021 verärgert auf die Versuche Litauens reagiert, engere Beziehungen zu Taiwan zu knüpfen, und den baltischen EU-Mitgliedstaat von seinem Zollsystem ausgeschlossen.
Am Dienstag einigten sich das Europäische Parlament und die 27 EU-Mitgliedstaaten auf ein neues Abwehrinstrument gegen wirtschaftliche Einschüchterung. Zu den möglichen Reaktionen im Rahmen dieses Instruments gehören der Ausschluss vom EU-Binnenmarkt und von öffentlichen Ausschreibungen sowie Strafzölle für Nicht-EU-Länder, die versuchen, die politische Entscheidungsfindung der EU zu beeinflussen.
Spaniens Premier bietet sein Land als „verlässlichen Partner“ an
Während die Kommissionspräsidentin zwar „das Risiko verringern, sich aber nicht von China abkoppeln“ will, reiste der spanische Premierminister Pedro Sánchez eine Woche vor ihr nach China und bot Spanien als „zuverlässigen Partner“ für Investitionen und die multilaterale Zusammenarbeit bei Konfliktlösungen und Friedensbemühungen an.
Der Hauptaspekt der Rede von Sánchez bei der Eröffnungszeremonie des Wirtschaftsforums von Boao, das als Asiens Antwort auf Davos gilt, war das politische und wirtschaftliche Vertrauen in Spanien. Sánchez betonte die Bedeutung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, sprach sich für einen freien, ausgewogenen und fairen Handel aus und lehnte protektionistische Tendenzen ab. Er wies darauf hin, dass die jüngsten Investitionen großer chinesischer Baukonzerne in spanische Ingenieurunternehmen Möglichkeiten für die Entwicklung gemeinsamer Projekte in Lateinamerika geschaffen hätten. Sánchez ermutigte auch zu einer weiteren Vertiefung dieser Zusammenarbeit „unter Wahrung der Souveränität jedes Landes und unter Einhaltung der Regeln“.
Dies bedeute, einen stabilen Rechtsrahmen zu schaffen, der die gleichen Wettbewerbsbedingungen für in- und ausländischen Unternehmen ermögliche, sagte er und fügte hinzu, dass die Beziehungen zwischen Europa und China nicht konfrontativ sein müssten, da es viel Raum für eine Zusammenarbeit gebe, von der beide Seiten profitierten.
Sánchez wies darauf hin, dass sich der bilaterale Handel zwischen Spanien und China zwischen 2017 und 2022 auf 57,7 Milliarden Euro verdoppelt habe, und fügte hinzu, dass China Spaniens erster Lieferant und der größte asiatische Markt für spanische Unternehmen sei. Die Zahl der chinesischen Bürger und Unternehmen, die Spanien besuchten oder dort arbeiteten, nehme deutlich zu.
Chinas Neue Seidenstraße
2013 rief Staats- und Parteichef Xi Jinping die Infrastrukturinitiative „Neue Seidenstraße“ (Belt and Road Initiative) ins Leben, die Investitionen in Milliardenhöhe vorsieht und Handelskorridore zu Land und zu Wasser schaffen soll. Dazu gehören auch Anteile an einer Reihe von wichtigen Häfen entlang der Schifffahrtsrouten für den Handel von und nach China.
Der chinesische Staatskonzern Cosco, das deutsche Logistikunternehmen HHLA und der Hamburger Hafen warten nun schon seit 18 Monaten auf die endgültige Genehmigung für die Investition in einen Containerterminal in der deutschen Stadt.
2019 war Italien das erste und einzige G7-Land, das der umstrittenen Belt and Road Initiative (BRI) zustimmte. Chinesische Investoren konzentrierten sich vor allem auf strategische Häfen in Triest, Venedig und Ravenna. Die Absichtserklärung, die während eines Staatsbesuchs von Xi in Rom unterzeichnet wurde, löste in Washington und Brüssel Besorgnis aus, die in der Initiative eine Möglichkeit für Peking sehen, Einfluss auf strategische Güter in der ganzen Welt zu erlangen. Bis Ende 2023 muss nun Premierministerin Giorgia Meloni entscheiden, ob das Abkommen verlängert werden soll oder nicht. In einem Interview mit der taiwanesischen Nachrichtenagentur Cna im September 2022 bezeichnete Meloni Italiens Annäherung an China jedoch als „großen Fehler“ und fügte hinzu, dass sie „kaum die politischen Bedingungen“ für eine Verlängerung des Abkommens sehe.
Chinesische Investoren zeigten vor einigen Jahren starke Bestrebungen, den slowenischen Hafen von Koper zu übernehmen, aber einige Politiker und die öffentliche Meinung waren nicht dafür, so dass der Hafen Teil der Belt and Road Initiative wurde. Chinesische Bauunternehmen bewarben sich um einige große Infrastrukturprojekte, darunter der Bau einer neuen Eisenbahnstrecke zwischen Koper und Divača mit einem geschätzten Volumen von mehr als 1 Mrd. Euro, waren aber nicht erfolgreich. Auch die gescheiterte Wiederbelebung des Flughafens Maribor im Nordosten Sloweniens, an der die in chinesischem Besitz befindliche SHS Aviation beteiligt war, hinterließ bei der slowenischen Bevölkerung einen faden Beigeschmack.
Chinas Einfluss auf die westlichen Balkanländer
„Im Rahmen der Initiative „Neue Seidenstraße“ ist China der größte Geldgeber für Entwicklungsländer“, sagte von der Leyen am Donnerstag. Bereits Anfang Dezember verwies die Kommissionspräsidentin auf das Ringen Russlands und Chinas um Einfluss in den westlichen Balkanländern: „Auch auf dem Westbalkan ist ein Ringen spürbar – Russland versucht, Einfluss zu nehmen, China versucht, Einfluss zu nehmen“, sagte von der Leyen am 6. Dezember im albanischen Tirana.
Die EU will verhindern, dass andere Staaten, wie etwa Russland oder China, auf dem westlichen Balkan weiter an Einfluss gewinnen. Diese Länder versuchen unter anderem, durch große Investitionen Abhängigkeiten zu schaffen. In der Europäischen Union wird dies vielerorts mit großer Sorge betrachtet, zumal die Balkanstaaten von EU-Territorium umgeben sind und an Mitgliedsstaaten wie Griechenland, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Kroatien grenzen.
China als Handelspartner für Slowenien, Bulgarien und Belgien
China war im Jahr 2022 mit Waren im Wert von 5,3 Mrd. EUR der sechstwichtigste Handelspartner Sloweniens. Die chinesischen Direktinvestitionen nahmen 2018 zu, als das multinationale Unternehmen Hisense den Haushaltsgerätehersteller Gorenje übernahm. Die chinesischen Investitionen stammen in der Regel von chinesischen Tochtergesellschaften und Niederlassungen in Luxemburg. Sie haben derzeit einen Gesamtwert von über 300 Mio. EUR.
Was Bulgarien anbelangt, so gibt es keine großen chinesischen Investitionen in bedeutende Infrastrukturprojekte des Landes. Allerdings war China im Jahr 2022 nach Russland und der Türkei die drittwichtigste Importquelle für Bulgarien.
Für Belgien war China nach Angaben der belgischen Außenhandelsagentur im Jahr 2022 der zwölftgrößte Kunde des Landes (Exporte im Wert von 7,8 Milliarden Euro) und der viertgrößte Lieferant (Importe im Wert von 35,3 Milliarden Euro). Daraus ergibt sich für Belgien eine negative Handelsbilanz in Höhe von -27,5 Mrd. Euro gegenüber China.
Belgien überprüft Auslandsinvestitionen
Wie von der Europäischen Kommission im Jahr 2020 gefordert, haben die Bundes- und die Regionalregierungen Belgiens im November 2022 beschlossen, ausländische Investitionen zu überprüfen, die ein Risiko für die strategische Autonomie des Landes darstellen könnten. Der Mechanismus soll verhindern, dass Investoren von außerhalb der EU die Kontrolle über kritische Infrastrukturen erlangen, deren Eigentümer werden oder diese managen. Das Screening deckt folgende Bereiche ab: Technologie, Güter, die als elementar für die Ernährungssicherheit und die Energieversorgung gelten, den Zugang zu und die Kontrolle über sensible Informationen sowie Freiheit und Pluralismus der Medien.
Bis zum 1. Juli 2023 wird ein Screening-Ausschuss, bestehend aus Vertretern aller Regierungen, eingesetzt, um sämtliche Investitionen zu überprüfen, die ausländischen Akteuren eine Beteiligung von mindestens 25 Prozent an einem belgischen Unternehmen verschaffen würden. Für Investitionen im Verteidigungs- oder Energiesektor wird die Schwelle auf 10 Prozent gesenkt.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Wirtschaftsminister Pierre-Yves Dermagne bei der Vorstellung des Investitions-Screenings ausdrücklich auf die geplante Investition des chinesischen Staatsunternehmens State Grid in den belgischen Netzbetreiber Eandis im Jahr 2016 hinwies. Nachdem der belgische Geheimdienst vor Spionage und möglichen Verbindungen zwischen State Grid und der Armee der VR China gewarnt hatte, wurde das Geschäft offiziell aus Wettbewerbsgründen abgesagt.
Dieser Artikel wird freitags veröffentlicht. Der Inhalt basiert auf Nachrichten der teilnehmenden Agenturen im enr.