Gerade hat das Europäische Parlament es noch einmal betont: Saubere Energietechnologien wie Solar- und Windenergieanlagen «sind entscheidend für die Verwirklichung der europäischen Klimaziele für 2030 und 2050». Vor allem erneuerbare, emissionsarme Energiequellen decken den wachsenden Strombedarf in der Welt. Dennoch stehen Windkraftanlagen immer wieder in der Kritik. In einem Facebook-Post wird behauptet, Windräder würden Trockenheit und Erderwärmung verursachen und eine Laufzeit von nur zehn Jahren haben. Außerdem heißt es in dem Beitrag, dass die Rotorblätter nicht recycelt werden können. Was davon stimmt?
Bewertung
Windräder können mit ihrem Luftaustausch die Bodentemperaturen beeinflussen. Die Anlagen fügen der Atmosphäre allerdings keine Wärme hinzu, sondern sorgen für eine andere Verteilung. Damit verursachen sie keine Erderwärmung. Auch für Trockenheit gibt es andere Auslöser. Die Laufzeit von Windrädern beträgt zwischen 20 und 30 Jahren. Richtig ist, dass Verfahren für ein umfassendes Recycling von Rotorblättern bisher fehlen.
Fakten
Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages haben in einem Bericht dargelegt, dass Windräder ihre direkte Umgebung, also das Mikroklima, in einem gewissen Maß beeinflussen können. «In der Umgebung von Windkraftanlagen kommt es nach derzeitigem Kenntnisstand nachts zu Temperaturerhöhungen in den unteren Luftschichten», heißt es. Das könne in deutschen Regionen aber auch positive Effekte haben: «Tatsächlich ist der Effekt, durch (vergleichsweise kleinere) Windräder kalte Luftschichten nach oben zu tragen und so eine Erwärmung bodennaher Regionen zu erreichen, seit einiger Zeit bekannt und wird in der Landwirtschaft eingesetzt. In Obstplantagen und Weinbergen wird als Kälte- bzw. Frostschutz mit Windrädern gearbeitet.»
Laut einer Recherche des MDR erhöhen sich die Temperaturen der Luftschichten in Bodennähe um 0,3 bis 0,7 Grad Celsius «bei wirklich riesengroßen Windparks». Statt zu einer Temperaturveränderung führe dies aber nur zu einer anderen Verteilung der Wärme. Wenn es unten wärmer werde, beförderten die Windräder die kältere Luft vom Boden nach oben und dort komme es zu einer Abkühlung, heißt es in dem Bericht.
Die nächtliche Temperaturerhöhung in den unteren Luftschichten in der Umgebung von Windkraftanlagen «wird als ein mikroklimatischer Wechsel bezeichnet, ist aber noch keine Dürre», heißt es im Bericht der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags. Gründe für landwirtschaftliche Dürren in Deutschland seien zum Beispiel geringer Niederschlag, eingeschränkter Zugang zur Wasserversorgung oder eine veränderte Nutzung der Landflächen.
Technisch können Windräder weit über 20 Jahre laufen
Das Umweltbundesamt spricht davon, dass Windenergieanlagen nach 20 bis 30 Jahren das Ende ihrer Lebensdauer erreichen und dann zurückgebaut werden müssen. Viele Windräder werden aber bereits nach 20 Jahren abgeschaltet. Das liegt daran, dass dann die finanzielle Förderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes endet, heißt es vom Wirtschafts- und Klimaschutzministerium. Das Ende der Zuschüsse bedeutet, dass die Betreiber ihren Strom zu Marktpreisen ohne lukrativen Zuschuss des Staates verkaufen müssen. Da bei älteren Anlagen auch die Kosten für Wartung und Reparatur steigen, lohnt sich ein Betrieb häufig nicht mehr.
Entsorgung gebrauchter Rotorblätter wird noch erforscht
Nach dem Ende der Laufzeit stellt sich die Frage nach dem Recycling. Einige Bauteile von Windrädern sind dabei schwer zu entsorgen. Das steht in einem Bericht der Technischen Universität Dresden und des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie: «Für fast alle in einer WKA [Windkraftanlage] verwendeten Materialien existieren geeignete Entsorgungswege, wodurch eine Recyclingquote von 80-90 % erreicht werden kann. Eine Ausnahme bildet die Rotorblattentsorgung, hierbei besteht weiter Forschungsbedarf nach einer ökonomisch und ökologisch sinnvollen Verwertung.»
Das Problem ist demnach vor allem der Materialmix, denn die meisten zur Entsorgung anfallenden Rotorblätter bestehen aus glasfaserverstärktem Kunststoff in Sandwichbauweise mit Kunststoffschaum oder Balsaholz als Füllstoff. «Das Recycling dieser Verbundmaterialien, insbesondere die Trennung der Komponenten unter Beibehaltung der Qualitätsmerkmale, ist noch ungelöst», schreibt der Fraunhofer-Verbund Werkstoffe zu diesem Problem. Er forscht an Möglichkeiten zum Recycling der Bauteile. Der MDR berichtet, dass es erste Recyclingideen für bestimmte Rohstoffe aus den Rotorblättern gibt. So werden manche Abfälle bereits bei der Zementherstellung oder für Fußbodenbeläge genutzt. Bisher fehlen laut Umweltbundesamt aber eindeutige Vorgaben zur Verwertung.
Die Behauptung, dass Windräder nach Laufzeitende nicht komplett zurückgebaut werden, wurde bereits in einem dpa-Faktencheck widerlegt. Ein weiterer dpa-Faktencheck zeigt auf, dass es keinen Zusammenhang zwischen Windparks und Starkregen gibt. Auch Behauptungen über angeblich große Auswirkungen von Windrädern auf das Wetter und Klima in Deutschland halten einem Faktencheck nicht stand.
Links
Artikel des Europäischen Parlaments (archiviert)
Artikel zu wachsendem Strombedarf (archiviert)
Wissenschaftliche Dienste über Mikroklima bei Windrädern (archiviert)
MDR-Bericht über Windkraftanlagen (archiviert)
Umweltbundesamt zum Thema (archiviert)
BMWK zur Windenergie (archiviert)
dpa-Faktencheck zu Windparks und Starkregen
dpa-Faktencheck zum Rückbau von Windrädern
dpa-Faktencheck zu Windrädern und Dürren
MDR-Bericht über Recyclingideen für Rotorblätter (archiviert)
Bericht Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie und TU Dresden (archiviert)
Fraunhofer-Verbund Werkstoffe (archiviert)
Umweltbundesamt über Rückbau- und Recyclingstandards (archiviert)
Über dpa-Faktenchecks
Mehr Faktenchecks von dpa finden Sie auf der Seite dpa-factchecking.com. Über die Grundsätze unserer Arbeit informieren wir hier.
Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte an faktencheck@dpa.com.
Schon gewusst?
Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.