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Jede Europäerin und jeder Europäer, die oder der in den letzten Jahren umziehen musste, hat diesen Albtraum wahrscheinlich erlebt: steigende Immobilienpreise, Mieten und Nebenkosten, ein Mangel an Immobilien und der Krampf, immer ausgefallenere Wege zu finden, um einen heißbegehrten Mietvertrag zu ergattern.

Europa hat ein Wohnraumproblem. Und obwohl die Europäische Union keine direkte Zuständigkeit in diesem Bereich hat, ist Brüssel klar geworden, dass sich am Horizont ein großes Problem auftürmt. In einer Rede am 29. September sagte Dan Jørgensen, der erste EU-Kommissar für Wohnungsbau,  beim Thema Wohnen gehe es um „das Herzstück unserer Demokratie in Europa“. 

„Es geht um mehr als nur Ziegel und Mörtel. Es geht um mehr als Angebot und Nachfrage. Es geht tatsächlich um die Grundrechte und die Würde der Menschen. Um den Zusammenhalt unserer Gemeinschaften, die Bausteine unserer Gesellschaft, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft.“

Er fügte hinzu: „In ganz Europa gibt es ein spürbares Gefühl der Ungerechtigkeit, insbesondere unter unseren jungen Menschen.“

Daten-Blitzlicht: Viel Schatten, wenig Licht in den EU-Mitgliedsstaaten

Egal, welche Statistik man betrachtet, die Indikatoren deuten auf eine Krise hin:

  • In den vergangenen 15 Jahren sind die Immobilienpreise laut Eurostat-Daten von Oktober um 60,5 Prozent gestiegen. Ungarn führt mit einem Anstieg von 277 Prozent, gefolgt von Estland (250 Prozent).
  • Nur in Italien sind die Immobilienpreise zwischen 2010 und dem zweiten Quartal 2025 um 1 Prozent gesunken.
  • Ähnlich sieht es bei den Mieten aus: Sie stiegen in 26 der 27 Mitgliedstaaten im Durchschnitt um 28,8 Prozent, in Estland sogar um bis zu 218 Prozent. Nur in Griechenland sanken die Mieten um 9 Prozent.
  • Im zweiten Quartal 2025 stiegen die Immobilienpreise in der EU um 5,4 Prozent, so Eurostat. Die Mieten erhöhten sich im Jahresvergleich um 3,2 Prozent.
  • Bulgarien verzeichnete beispielsweise einen der stärksten Anstiege mit 15,5 Prozent (leicht rückläufig gegenüber dem Rekordanstieg von 18,3 Prozent im letzten Quartal 2024). Auch die Wohnungsbaukredite haben Rekordwerte erreicht. Im August 2025 belief sich ihr Volumen der Bulgarischen Nationalbank zufolge auf 30,2 Milliarden Lew (15,4 Milliarden Euro), ein Anstieg von 27,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
  • In Deutschland sind Studierende besonders stark von steigenden Mieten betroffen: Die Preise für Zimmer in Wohngemeinschaften stiegen laut Zahlen von 2023 um 6,2 Prozent im Jahresvergleich.

Arbeiten für die Miete

Eine zunehmende Zahl von Haushalten sieht sich mit unerschwinglichen Wohnkosten konfrontiert. Das Europäische Parlament setzt diese Schwelle bei Ausgaben von mehr als 40 Prozent des verfügbaren Einkommens für Wohnen an.

  • Den neuesten verfügbaren Zahlen von Eurostat zufolge gaben 2023 8,8 Prozent der Menschen in der EU mehr als 40 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Wohnen aus. Der höchste Wert wurde in Griechenland mit 28,5 Prozent verzeichnet, der niedrigste in Zypern mit 2,6 Prozent.
  • In Berlin kann sich ein Drittel der Haushalte keine Wohnung auf dem freien Mietmarkt leisten.
  • Nahezu 70 Prozent der EU-Bürgerinnen und -Bürger besitzen ihr eigenes Zuhause. Die Wohneigentumsquote ist in Osteuropa traditionell höher, aber die Lücken in Sachen Erschwinglichkeit werden in westlichen Ballungszentren größer.
  • In der Tschechischen Republik und in Ungarn kostet eine durchschnittliche Wohnung beispielsweise etwa das 13,6-fache des durchschnittlichen Jahresgehalts – nur in Portugal ist dieser Wert noch höher. Andererseits sind Mietwohnungen im Vergleich zu anderen EU-Ländern in den Top-5 bei der Erschwinglichkeit, so ein Index der Česká spořitelna-Bank und des Portals Europe in Data.

Dynamiken auf der Nachfrageseite: Demografie, Migration und Urbanisierung

Wie konnte es zu dieser Situation kommen? Eine Reihe von Faktoren verstärkt den Druck auf den Wohnungsmarkt:

  • Bevölkerungsverschiebungen: Die Urbanisierung setzt Städte zunehmend unter Druck. Nach der Covid-19-Pandemie hat der Zuzug in Städte wieder zugenommen.
  • Migrationsströme: Sowohl die Binnenmigration innerhalb der EU als auch die Zuwanderung aus Drittstaaten treiben die Nachfrage an.
  • Demografische Trends: Alternde Bevölkerungen und schrumpfende Haushaltsgrößen (zunehmend mehr Einpersonenhaushalte) verschärfen das Ungleichgewicht bei Angebot und Nachfrage.
  • Kosten: Steigende Energiekosten führen zu einer verstärkten Nachfrage nach kleineren Wohnungen. Gleichzeitig verschieben steigende Zinssätze die Nachfrage hin zu Mietwohnungen.
  • Tourismus: In touristischen Zentren verdrängen Kurzzeitvermietungsplattformen wie Airbnb die lokale Bevölkerung.

Angebotsorientierte Engpässe: Wohnbau und Regulierungen

Einige Länder investieren erhebliche Teile ihres Bruttoinlandsprodukts in den Wohnungsbau, doch die Ergebnisse sind durchwachsen:

  • Engpässe bei der Planung: Strenge Auflagen für Bebauungszonen, langwierige Genehmigungsverfahren und das sogenannte „NIMBY“-Phänomen („Not In My Backyard“, engl. für “Aber nicht in meinem Hinterhof”) sind einige der Hindernisse. In Frankreich berichten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, dass es zunehmend schwieriger werde, eine Balance zu finden. „Es gibt dieses Paradoxon, dass man fast täglich von Bewohnern angesprochen wird, die Wohnraum benötigen, während man gleichzeitig von Gegnern der städtischen Ausdehnung verklagt wird – selbst, wenn es um den Bau von Studentenwohnungen geht,“ sagte Jeanne Barseghian, Bürgermeisterin von Straßburg.
  • Bausektor: Arbeitskräftemangel und steigende Materialkosten verlangsamen den Bauprozess. Frankreich erlebt seit fast drei Jahren eine schwere Krise im Neubausektor,  bedingt durch steigende Baukosten, höhere Zinssätze, die viele Haushalte von Immobilienkäufen abhalten, und das Ende von Fördermaßnahmen für Mietinvestitionen. Zwischen September 2024 und August 2025 wurden kumulativ der Bau von 365.179 Wohneinheiten genehmigt – das sind 14 Prozent weniger als der Durchschnitt der letzten fünf Jahre, so das französische Ministerium für Raumplanung.
  • Leere ländliche Gebiete: Paradoxerweise gibt es in einigen Regionen Überschuss an Wohnraum, jedoch kaum Nachfrage. Entvölkerte Städte im Osten Deutschlands, der ehemaligen DDR, entwickeln neue Strategien, um wieder Leben in die Region zu bringen: Sie bieten potenziellen Bewohnerinnen und Bewohnern mehrere Wochen supergünstigen Wohnraum an, um ihnen einen Eindruck vom Leben vor Ort zu vermitteln. Laut dem Statistischen Bundesamt Destatis könnte Ostdeutschland in den nächsten 20 Jahren zwischen acht und 16 Prozent seiner Bevölkerung verlieren.
  • Veralteter Wohnungsbestand: Die Hälfte des europäischen Wohnungsbestands wurde vor 1980 gebaut, und ein Großteil davon muss renoviert werden. Viele Gebäude sind energetisch ineffizient, und die Anpassung dieser Wohnungen an neue EU-Standards wird teuer und zeitaufwendig sein, so ein Bericht der Europäischen Investitionsbank (EIB) vom Juni.

Politik-Mix: Unterschiedliche Ansätze in der EU

Die EU-Mitgliedstaaten versuchen, eigene Lösungen zu finden, indem sie den sozialen Wohnungsbau ausbauen, Steueranreize einführen oder Mieten regulieren:

  • Wien, Österreich: In der österreichischen Hauptstadt lebt etwa ein Drittel der Bevölkerung in irgendeiner Form in gefördertem Wohnraum.
  • Berlin, Deutschland: Ein Gesetz zur Mietendeckelung in Berlin hingegen wurde 2024 vom Bundesverfassungsgericht gekippt.
  • Portugal: Die portugiesische Regierung verabschiedete Ende September eine Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung der Wohnungsnot, darunter höhere Steuervergünstigungen für Einwohnerinnen und Einwohner und eine Erhöhung der Steuern auf Immobilienkäufe durch nicht in Portugal ansässige Personen. Weitere Maßnahmen umfassen eine Erhöhung der Steuerabzüge für Mieten und eine Senkung der Steuer für Vermieterinnen und Vermieter, die moderate Mieten verlangen. Zudem wird ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von 6 Prozent für den Bau von Wohnungen mit einem Verkaufswert von rund 648.000 Euro sowie für Mietwohnungen mit einer Obergrenze von bis zu 2.300 Euro eingeführt. Dieses Steuerregime gilt bis 2029. Die Regierung erklärte außerdem, sie arbeite mit Banken zusammen, um neue Produkte zu entwickeln, die den Zugang zu Wohnungsbaukrediten und Baukapital erleichtern sollen. „Es ist eine Schockpolitik. Wir wollen den Bau- und Mietmarkt aufrütteln,“ sagte Ministerpräsident Luis Montenegro.
  • Italien: Italien rief im vergangenen Jahr einen Plan für Wohnungsbau ins Leben, der sich insbesondere auf die Unterstützung junger Familien konzentriert. Junge Menschen in Italien verlassen ihr Elternhaus im EU-Vergleich besonders spät – im Durchschnitt mit 30 Jahren. Laut Eurostat liegt das Durchschnittsalter bei 26,3 Jahren. Vizepremier Matteo Salvini sagte, es wurden 660 Millionen Euro an mehrjährigen Mitteln bereitgestellt, um die Wohnungsnot zu bekämpfen, die Wohnungsbaupolitik neu zu beleben und das bestehende Angebot zu reorganisieren. Er rechnet zudem mit weiteren Mitteln im nächsten Haushalt. Ein zweiter Pfeiler der Politik sind öffentliche Garantien für Erstwohnsitz-Hypotheken, da sich Familien in Großstädten zunehmend keinen Wohnungskauf mehr leisten können.
  • Slowenien: Im August verabschiedete das slowenische Parlament ein Gesetz zur Finanzierung von öffentlichem Mietwohnungsbau, das den Bau von 20.000 öffentlichen Mietwohnungen in den nächsten zehn Jahren mit Hilfe von 1 Milliarde Euro an staatlichen Mitteln vorsieht. Zudem wurde kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das Kurzzeitvermietungen einschränkt, was zumindest teilweise das Angebot an Mietwohnungen erhöhen soll.

Ein Plan für erschwinglichen Wohnungsbau für Europa

Auf EU-Ebene plant Kommissar Jørgensen einen  „Plan für Erschwingliche Wohnungsbau für Europa“, der darauf abzielt, EU-Maßnahmen mit nationalen, regionalen und lokalen Anstrengungen zu kombinieren, um nachhaltigen Wohnraum zu gewährleisten.

Folgendes stellt er in Aussicht:

  • Eine neue Investitionswelle: Dazu gehört die Verdopplung der EU-Unterstützung für den Wohnungsbau im Rahmen der Kohäsionspolitik und  Erleichterungen für Mitgliedstaaten, Städte und Regionen, mehr EU-Mittel für erschwinglichen Wohnraum bereitzustellen.
  • Überprüfung der Beihilferegeln: Regierungen sollen leichter Wohnungsbauprojekte unterstützen können, indem die Beschränkungen für nationale Ausgaben gelockert werden.
  • Mobilisierung privater Investitionen: Neue Finanzierungsmodelle und eine engere Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Investitionen, einschließlich einer gesamteuropäischen Investitionsplattform zur Unterstützung von Sozialwohnungen, Studentenwohnheimen und nachhaltigen Wohnprojekten.
  • Abbau von Bürokratie: Reduzierung bürokratischer Hürden bei Planung, Genehmigung und Beschaffung sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene.
  • Mobilisierung von Ressourcen: Nutzung der Ressourcen im Bausektor, bei Innovationen und der Arbeitskräfte Europas.
  • Unterstützung für Städte und Regionen unter Druck: Insbesondere in Gebieten, die von Wohnungsnot betroffen sind.
  • Fokus auf vulnerable Gruppen: Junge Menschen, Familien und Obdachlose sollen besonders unterstützt werden.
  • Förderung des Wissenstransfers zwischen den Mitgliedstaaten.
  • Energieeffizienz: Modernisierung und Isolierung von Wohngebäuden, um Energieverschwendung zu reduzieren und die Lebenshaltungskosten der Bewohnerinnen und Bewohner zu senken.
  • Einbindung von Interessengruppen: Der Plan wird mit Beiträgen von Expertinnen und Experten, Interessengruppen, öffentlichen Vertreterinnen und Vertretern sowie Bürgerinnen und Bürgern entwickelt, mit einer offenen Einladung zu weiteren Beiträgen.

Beim Thema Wohnen gibt es keine einfache Lösung. Viele Faktoren müssen zusammenkommen, und selbst wenn der EU-Plan vollständig umgesetzt wird, wird es wahrscheinlich Jahre dauern, bis Ergebnisse sichtbar werden.

Bis dahin bleibt der Druck auf Mieterinnen und Mieter, Menschen mit Wohnkrediten sowie Wohnungssuchenden in Europa bestehen.

Dieser Artikel ist eine enr Key Story. Der Inhalt basiert auf Nachrichten der am enr teilnehmenden Agenturen.