Die Gesetzgeber der Europäischen Union haben dafür gestimmt, die geplanten Vorschriften der Union zur Bekämpfung von Entwaldung weiter zu verschieben und zu verwässern. Mehrere Mitgliedstaaten sowie Industrieverbände hatten unter Verweis auf übermäßigen bürokratischen Aufwand einen Aufschub gefordert. Für europäische Umweltschützerinnen und Umweltschützer ist dies ein weiterer Rückschlag, nachdem die 30. Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP30) am Samstag zu Ende gegangen war und dort ebenfalls kein konkreter Aktionsplan zur Eindämmung der Waldvernichtung vorgelegt wurde.
Das Europäische Parlament stimmte am Mittwoch mit Unterstützung der Europäischen Volkspartei (EVP) und rechtsextremer Fraktionen für eine Vereinfachung der EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte (EUDR) – eine Entwicklung, die vermutlich auch langfristige politische Nachwirkungen haben wird. Das Abstimmungsergebnis im Parlament war 402 zu 250 Stimmen bei 8 Enthaltungen.
Die Abgeordneten einigten sich darauf, das Inkrafttreten der Vorschriften um ein Jahr bis zum 30. Dezember 2026 zu verschieben, mit einer zusätzlichen sechsmonatigen Übergangsfrist für Klein- und Kleinstunternehmen, die am 30. Juni 2027 endet. Auf Antrag Deutschlands und Österreichs, die zuvor laute Kritik an der EUDR geäußert hatten, wurde außerdem eine Überprüfungsklausel verabschiedet, die bis zum 30. April 2026 umgesetzt werden soll, um weitere Vereinfachungen zu ermöglichen.
Neben der Verschiebung des Gesetzes sollen auch die Meldepflichten für Unternehmen gelockert werden. Dazu gehört eine Lockerung der Verpflichtungen für Unternehmen, bei der erstmaligen Vermarktung eines Produkts auf dem EU-Markt eine Sorgfaltserklärung vorlegen zu müssen.
Das Europäische Parlament wird nun Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten über die Einzelheiten der Änderungen aufnehmen, die dann vom Europäischen Parlament und vom Rat gebilligt und bis Ende 2025 im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden müssen, damit die einjährige Verschiebung in Kraft treten kann.
Einmal verschoben, nochmal verschoben
Die 2023 verabschiedete EUDR war von Umweltverbänden als wichtiger Durchbruch im Kampf für den Schutz der Natur und gegen den Klimawandel gefeiert worden. Die Verordnung verbietet es, auf seit Dezember 2020 abgeholzten Flächen Waren und Tiere zu produzieren oder dort zu halten. Dies gilt für Kaffee, Kakao, Soja, Holz, Palmöl, Druckerpapier und Gummi ebenso wie für Rinder.
Darüber hinaus müssten Unternehmen, die solche Waren in die 27 Länder der Europäischen Union importieren, eine Erklärung samt Geolokalisierungs- und Satellitendaten vorlegen, um nachzuweisen, dass die Waren nicht aus abgeholzten Gebieten stammen.
Nach dem ursprünglichen Plan müssten auch Unternehmen, die diese Waren kaufen, verarbeiten und verkaufen, solche Unterlagen vorlegen. Dies hätte unter anderem für Branchenriesen wie den italienischen Schokoladenhersteller Ferrero und den Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé gegolten, die Kakao für die Herstellung von Schokolade erwerben.
Die Europäische Kommission stellte später fest, dass diese zusätzlichen Kontrollen das zur Unterstützung der Vorschriften entwickelte IT-System überlasten könnten. Sie forderte dann, die Anforderung für alle Unternehmen außer den Erstimporteuren aufzuheben.
Die EUDR sollte ursprünglich Ende 2024 in Kraft treten, aber dieser Termin wurde um ein Jahr auf Dezember 2025 verschoben. Neuverhandlungen über das Gesetz wurden aufgrund einer Störung in den IT-Systemen der Europäischen Kommission notwendig.
Das führte wiederum dazu, dass eine Reihe zusätzlicher Änderungen auf den Verhandlungstisch kamen: Im September 2025 schlug die Kommission eine weitere einjährige Verzögerung vor, kehrte jedoch Ende Oktober zu dem Plan vom Dezember 2025 zurück, mit zusätzlichen Nachfristen von bis zu 12 Monaten.
Letztlich schlug Deutschland die Vereinfachungen und eine weitere einjährige Verschiebung der Verordnung vor, die von den Botschaftern der 27 EU-Länder mit großer Mehrheit angenommen wurde – nur die Niederlande und Belgien enthielten sich, Spanien stimmte dagegen. Anschließend verabschiedeten sowohl der Europäische Rat Mitte November als auch das Europäische Parlament wenige Wochen später die Änderung.
Aber sind alle Beteiligten überzeugt? Begrüßen die Unternehmen und Betriebe in der EU diese neue Entlastung von bürokratischen Auflagen, oder führt die regulatorische Unsicherheit dazu, dass unklar ist, welcher Weg eingeschlagen werden soll?

Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, spricht im Gebäude des Europäischen Parlaments. (Foto: Philipp von Ditfurth/dpa)
Ja zu Wäldern, nein zu Bürokratie
Auch wenn die EU-Mitgliedstaaten die Wälder schützen wollen, befürchten einige, dass die EUDR ihre industrielle und wirtschaftliche Entwicklung behindern könnte, was sich unmittelbar auf die Bürger auswirken würde.
So wurde das Abstimmungsergebnis beispielsweise im europäischen Einzel- und Großhandel, vertreten durch EuroCommerce, als Schritt hin zu einer praktikableren Regelung bezeichnet. „Unser Sektor unterstützt den Kampf gegen die Entwaldung voll und ganz,“ heißt es in einer Erklärung von Els Bedert, Direktorin für Produktpolitik und Nachhaltigkeit bei EuroCommerce. „Aber die Unternehmen brauchen Zeit, um sich auf die Umsetzung der Vorschriften vorzubereiten, ohne den Handel oder die Lieferketten zu stören.“
Im Europäischen Parlament waren die Parteien, die für den Änderungsantrag stimmten, die konservative EVP, Teile der liberalen Renew-Fraktion, die rechtsextreme Fraktion „Patrioten für Europa“ und die ebenfalls rechtsextreme Fraktion „Europa der souveränen Nationen“, zu der auch Abgeordnete der Partei Alternative für Deutschland (AfD) gehören. Die schwedischen Sozialdemokraten waren fast die einzigen in der Fraktion der Sozialisten und Demokraten (S&D), die für den Änderungsantrag stimmten.
Sowohl die schwedische Regierung als auch die größte Oppositionspartei unterstützen die Verschiebung. „Diese Gesetzgebung war ursprünglich mit vielen Fragen und Fragezeichen behaftet, daher ist es gut, dass diese nun geklärt werden. Das ist gut für die schwedischen Waldbesitzer,“ sagte die schwedische EVP-Abgeordnete Jessica Polfjärd.
Auch Slowenien gehört zu den EU-Mitgliedstaaten, die sich für eine Vereinfachung der EUDR und eine Verschiebung ihrer Umsetzung ausgesprochen haben. Landwirtschaftsministerin Mateja Čalušić bekundete ihre Unterstützung für die Ziele der EU, Abforstung weltweit zu verhindern und die biologische Vielfalt zu erhalten, sie warnte jedoch auch vor einer unverhältnismäßigen Belastung für Landwirtinnen und Landwirte, Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer sowie Unternehmen.
In Bulgarien beklagte sich die holzverarbeitende Industrie über zusätzliche Schwierigkeiten aufgrund regulatorischer Belastungen, darunter die Umsetzung der EUDR, und forderte daher eine zwölfmonatige Verschiebung der Kernverpflichtungen und eine Verringerung des Verwaltungsaufwands für Klein- und Kleinstunternehmen. Das Ministerium für Umwelt und Wasser ließ jedoch verlauten, dass Bulgariens Positionen zu Anpassung, Finanzierung und gerechtem Übergang mit dem Plan der Kommission übereinstimmten, am Zeitplan für die Umsetzung im Jahr 2025 festzuhalten.
Auch tschechische Unternehmen forderten laut der Handelskammer des Landes (HK) eine sofortige Verschiebung der EUDR um mindestens 12 Monate und die Nutzung der einjährigen Pause, um übermäßige Bürokratie abzubauen. Tomáš Prouza, Präsident der HK und Vorsitzender des Tschechischen Verbandes für Handel und Tourismus (SOCR), bezeichnete das aktuelle Gesetz als „schlecht vorbereiteten Vorschlag”.
Tommaso Foti, Italiens Minister für europäische Angelegenheiten, erklärte in einer Stellungnahme, dass die verabschiedete Fassung „ein wichtiger Sieg für Italien und unsere Produktionsketten ist (…) und den Unternehmen realistische Fristen für die Anpassung einräumt, wodurch Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung und Produktionskontinuität geschützt werden”. Foti betonte auch, dass dies die Richtung sei, die die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni einschlagen wolle, um „diejenigen zu schützen, die Werte, Arbeitsplätze und Entwicklung schaffen”.
Mitgliedstaaten wie Österreich, in denen Entwaldung kein großes Thema ist, lehnen das Gesetz insgesamt deutlich ab. Die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP) und die weit rechte Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) begrüßten und unterstützten die Verschiebung ausdrücklich, wobei der FPÖ-Europaabgeordnete Roman Haider die EUDR als „neues Bürokratie-Monster“ bezeichnete.
Untätigkeit belohnen?
Das Hin und Her bei den Vorschriften verärgert aber nicht nur Umweltschützerinnen und Umweltschützer, sondern auch Unternehmen, die bereits große Summen in die Einhaltung der Vorschriften investiert haben.
Ferrero und Nestlé gehören zu zwei Dutzend Unternehmen, die diese Woche davor warnten, dass eine weitere Verzögerung um ein Jahr „die Rechts- und Marktunsicherheit verlängern, Vorreiter benachteiligen und Untätigkeit belohnen“ würde.
Pierre-Jean Sol Brasier von der Umweltgruppe Fern sagte, dieser Schritt sende „auf jeder Ebene ein katastrophales Signal“ und bezeichnete das Hin und Her um das Gesetz als „Karikatur einer inkompetenten EU-Politik“. Er warnte, dass „wir Instabilität für Unternehmen schaffen, die Millionen in die Einhaltung der Vorschriften investiert haben“, und fügte hinzu, dass nun die Tür offen sei, „damit die EU-Gesetzgeber den Text aushöhlen können“.
Eine der lautesten Stimmen der Opposition kommt von der Exekutiv-Vizepräsidentin der Europäischen Kommission für einen sauberen, gerechten und wettbewerbsfähigen Übergang, der Spanierin Teresa Ribera, die die Verzögerung und Überprüfung der EUDR “noch vor ihrem Start“ kritisierte.
Über den von Ribera ausgeübten Druck hinaus, die Verordnung so schnell wie möglich umzusetzen, hat Spanien gefordert, dass die Gesetzgebung unverzüglich angewendet wird. Darüber hinaus hat sich das Land kürzlich der von Deutschland und der Europäischen Kommission geleiteten Initiative zur Unterstützung von entwaldungsfreien Wertschöpfungsketten angeschlossen.
Im Rahmen dieser Bemühungen wird Spanien zur Entwicklung eines Portals für entwaldungsfreien Handel beitragen, das den Betreibenden helfen soll, die in der EU-Gesetzgebung zur Bekämpfung der Entwaldung festgelegten Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit und Sorgfaltspflicht zu erfüllen.
Selbst in Ländern wie Österreich, die sich entschieden für die Verschiebung aussprechen, gab es Gegenstimmen.
Der österreichische Europaabgeordnete Thomas Waitz (Grüne) kritisierte die Ablehnung der regierenden Mitte-Rechts-Partei seines Landes gegenüber den Waldschutzplänen scharf und sagte: „Das ÖVP-Motto ist: Verschieben, verwässern und verunmöglichen. Wann erkennt die ÖVP, dass die Welt größer ist als Österreich?” Waitz äußerte auch seine Besorgnis darüber, wann die regierenden Konservativen erkennen würden, dass die EU-Gesetzgebung weit über ihre nationalen Grenzen hinaus Auswirkungen hat.
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