Brüssel – Österreichs Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) will die EU-Fiskalregeln durchsetzbarer machen. In Hinblick auf den Vorschlag der EU-Kommission zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sagte Brunner am Montag in Brüssel, Österreich sei offen für eine gewisse Flexibilität, es müsse aber klare Regeln und notfalls auch Sanktionen gegen Defizitsünder geben, „sonst tut jeder, was er will“.
Konkret forderte Brunner vier „zentrale Punkte“, die bei der Reform der EU-Fiskalregeln berücksichtigt werden müssten. So sei es etwa wichtig, dass die Obergrenzen der Maastricht-Regeln von 60 Prozent Gesamtverschuldung und drei Prozent Defizit beibehalten würden, sagte der Finanzminister. Diese seien wie ein „Anker“ für die Mitgliedsstaaten, um Kurs zu halten.
Zweitens müsse Budgetnachhaltigkeit erhalten bleiben, auch wenn er die Rufe nach mehr kurzfristiger Flexibilität verstehe. Dafür gebe es einen konkreten österreichischen Vorschlag, sagte Brunner. So sollte es auch auf europäischer Ebene sogenannte „Kontrollkonten“ geben, mit denen kurzfristige Abweichungen vom Budgetziel mittelfristig wieder ausgeglichen würden. Brunner hält diesen Ansatz auch praktisch für vorstellbar, er sei von einigen Mitgliedsstaaten positiv aufgenommen worden.
Drittens plädierte der Finanzminister für eine bessere Durchsetzbarkeit von Regeln. Notfalls müsse es auch Verfahren und Sanktionen geben, sagte er, und weniger qualitative Einschätzungen bei Verstößen gegen den Stabilitätspakt. Viertens forderte Brunner mehr Transparenz in der Anwendung der Regeln. Dies sei kein Selbstzweck, sondern wichtig zur Positionierung auf den Finanzmärkten. Auch die Bewertungen der EU-Kommission müssten transparenter sein als in der Vergangenheit, so der Finanzminister. (7.11.2022)
EU-Parlament sieht Verbindungen zu Spyware nach Österreich
Brüssel – Der Einsatz der umstrittenen Spionagesoftware Pegasus ist in der Europäischen Union offenbar weit verbreitet. „Regierungen der EU-Mitgliedstaaten haben Spyware gegen ihre Bürger zu politischen Zwecken eingesetzt“, heißt es in einem am Dienstag in Brüssel veröffentlichten Berichtsentwurf des Untersuchungsausschusses (PEGA) des Europaparlaments. Entsprechende Hinweise gebe es für Polen, Ungarn, Griechenland, Zypern und Spanien. Zu Österreich gebe es Verbindungen.
Konkret heißt es in dem Bericht zu Österreich, der frühere Innenminister und jetzige Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) habe auf Fragen des Nationalrates schriftlich geantwortet, dass Österreich kein Kunde des israelischen Technologieunternehmen NSO sei, das die Spionagesoftware Pegasus herstellt. „Aber der frühere Kanzler Sebastian Kurz hat enge Verbindungen zum Gründer der NSO-Gruppe, und DSIRF (Decision Supporting Information Research and Forensic, Anm.), ein großer Spyware-Provider, ist in Österreich ansässig“, hält der Berichtsentwurf fest. DSIRF und hochrangige Mitglieder des Unternehmens verfügten zudem laut dem Entwurf über enge Beziehungen zu Russland und zum Kreml.
Am Mittwoch betonte Kurz gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal, er habe „ein Unternehmen gegründet, dass Cyber-Sicherheit für kritische Infrastruktur anbietet, um zum Beispiel Spitäler, Wasser- und Energieversorgung zu schützen“. Das halte er für „extrem wesentlich in einer Zeit, in der Cyber-Angriffe mehr und mehr werden“, so der Ex-Kanzler. Sein Geschäftspartner Shalev Hulio habe die NSO mittlerweile verlassen, so Kurz. Das von ihm gegründete Unternehmen biete jedenfalls „ausschließlich Cyber-Sicherheitslösungen an“ und er begrüße es sehr, „wenn Menschen, die Erfahrungen im Offense-Bereich gesammelt haben, diese Erfahrungen nun zum Schutz kritischer Infrastruktur einsetzen“.
Nachdem Sicherheitsexperten von Microsoft dem Unternehmen DSIRF vorgeworfen hatten, hinter einer Reihe von digitalen Einbrüchen in Banken, Anwaltskanzleien und strategischen Beratungsunternehmen in mindestens drei Ländern zu stecken, hat der österreichische Staatsschutz die Vorwürfe geprüft, ohne einen Nachweis über den Einsatz der Spyware. DSIRF entwickelte die Spyware mit dem Namen „Subzero“, die sogenannte Zero-Day-Exploits nutzt, um auf vertrauliche Informationen wie Passwörter oder Anmeldedaten zuzugreifen, erklärte Microsoft im Juli.
„Der Missbrauch von Spyware in EU-Mitgliedstaaten ist eine schwerwiegende Bedrohung für die Demokratie auf dem ganzen Kontinent“, sagte die zuständige EU-Parlamentsberichterstatterin, die niederländische Liberale Sophie in ‚t Veld. Durch Spyware würden nicht nur Rechte auf Privatsphäre verletzt, sondern auch demokratische Institutionen unterhöhlt, Opposition und Kritiker zum Schweigen gebracht. Spyware habe auch eine abschreckende Wirkung auf die Pressefreiheit und die Zivilgesellschaft und diene der Beeinflussung von Wahlen. Dies sei „ein europäischer Skandal“, weil auch EU-Institutionen angegriffen würden und es sich auf die EU-Entscheidungsfindung auswirke, sagte in ‚t Veld.
Keine offizielle Behörde habe bei der Erstellung des Berichts mit ihr zusammenarbeiten wollen, beklagte die niederländische EU-Abgeordnete. Auch der EU-Rat habe dem EU-Parlament geantwortet, dass dieses in der Angelegenheit nicht zuständig sei. Daher habe sie sich auf öffentlich verfügbare Quellen gestützt. Das Bild sei nicht vollständig, aber sehr klar erkennbar. „Wir haben 900 Teile von einem 1.000-Teile-Puzzle“, so in ‚t Veld.
Die EU-Kommission trete zwar vehement für Demokratie und Bekämpfung von Fake News ein, zuletzt etwa bei der Übernahme von Twitter durch Elon Musk. „Aber wenn die Angriffe auf die Demokratie von innen kommen, schweigt die EU-Kommission“, so in ‚t Veld. „Die EU-Kommission zeigt Musk die Muskeln, aber greift die Mitgliedsstaaten, die Spyware gegen Bürger einsetzt, nur mit Samthandschuhen an.“
Der SPÖ-EU-Abgeordneter Hannes Heide, Koordinator der sozialdemokratischen Fraktion in dem Ausschuss, nannte die Ausmaße der Affäre schockierend und forderte strengere EU-Gesetze. Vor allem die illegale Überwachung von Politikern – wie dem PASOK-Vorsitzenden Nikos Androulakis in Griechenland oder von Journalisten, Aktivisten und Anwälten etwa in Polen und Ungarn – sei „eine Bedrohung für Demokratie und Grundrechte“. In Österreich verkaufe beispielsweise DSIRF mit Sitz in Wien einschlägige Überwachungssoftware, so Heide. „Die sozialdemokratische Fraktion fordert eine strenge EU-Gesetzgebung für die Entwicklung, den Verkauf und den Einsatz von Hightech-Überwachungssoftware. Der vorhandene Rechtsrahmen reicht nicht aus.“
Der ÖVP-Europaabgeordnete Lukas Mandl, der dem Untersuchungsausschuss angehört, forderte auch eine Aufklärung in Österreich: „Zu unserem Leidwesen steht hier auch ein österreichisches Unternehmen unter Verdacht. Das gehört lückenlos aufgeklärt. Das sind wir dem Bild Österreichs auf der Welt schuldig. Und wir müssen alles dafür tun, dass in Österreich und ganz Europa zwielichtige Aktivitäten verhindert werden.“ (9.11.2022)
Salvini will EU-Kommission Transit-Vorschlag unterbreiten
Rom/Brüssel – Italiens neuer Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) hat am Mittwoch das Management der Brennerautobahn in Rom getroffen. In dem Gespräch ging es unter anderem um Investitionen von 7,2 Mrd. Euro in die Modernisierung der Autobahn. Salvini kündigte weiters an, sich auch mit den Tiroler Fahrverboten auseinander zu setzen. Aktuell prüfe er einen „Vorschlag“, den er der EU-Kommission und der österreichischen Regierung vorlegen wolle. Details zu seinen Plänen blieben vorerst aus.
Beim Treffen im Infrastrukturministerium in Rom waren unter anderem der Präsident von Trentino-Südtirol Maurizio Fugatti (Lega), der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) und der Bürgermeister von Verona Damiano Tommasi anwesend, hieß es in einer Presseaussendung.
Salvini hatte am 31. Oktober ein telefonisches Gespräch mit EU-Verkehrskommissarin Adina Valean geführt. Dabei hatte er die Grundlinien des italienischen Regierungsprogramms in Sachen Verkehr und Infrastruktur vorgestellt und auch die Frage der seiner Ansicht nach „einseitigen Tiroler Fahrverbote“ angesprochen. Der Verkehrsminister und Chef der rechten Regierungspartei Lega und die EU-Kommissarin planen demnächst ein Treffen in Brüssel. (9.11.2022)
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